Von Schnitzelbildern und Ginkgo-Bäumen – Warum ein Praktikum im Hochschularchiv auch mehr sein kann als die Erfüllung einer Pflichtleistung

Im BA Literatur- und Sprachwissenschaft gibt es zwei große Probleme, denen sich die Studentenschaft zu stellen hat: Einen mindestens 6-wöchigen Auslandsaufenthalt und ein mindestens 5-wöchiges Pflichtpraktikum.

Während mir die Beschaffung des Auslandsaufenthalts wenige Probleme bereitete, denn hier war ich motiviert und interessiert, sah das bei dem Pflichtpraktikum leider anders aus. Wie viele meiner Kommilitonen fragte ich mich beinahe ständig: „Was soll ich machen?“ Die Vorlesung der Berufsperspektiven verschaffte mir da auch nur wenig Abhilfe. Ich kannte nun zwar einige Berufe ganz grob im Profil, aber irgendwie blieben sie damit auch so vielsagend nichtssagend, wie die große Masse an sich auch. Auf der einen Seite drückte mich also die graue Masse, auf die ich so gar keine Lust hatte und auf der anderen Seite die Zeit, die mir durch die Finger ran, wie feiner Sand.

Abhilfe verschaffte mir eine liebe Kommilitonin, die mir dann das Praktikum im Hochschularchiv empfahl. Sie sagte mir, es wäre ganz interessant, die Leute wären nett und es wäre so nahe am Theater ganz gut erreichbar. Nachdem ich den Schock verdaut hatte, dass die RWTH ein eigenes Archiv hat, von dem ich noch nie zuvor etwas gehört hatte, zuckte ich unentschlossen die Schultern. „Was macht man denn so im Archiv?“ Ich wusste es nicht. Darüber war sogar die Berufsperspektiven-Vorlesung ausgefallen. Ihre Augen begannen zu glänzen und sie erzählte mir wunderbare Geschichten. Von mir erntete sie nur ein unsicheres Lächeln. Ich glaubte ihr nicht so ganz, aber ihr Eifer überzeugte mich irgendwie. Ein Praktikum im Hochschularchiv also!

Was kann man dazu sagen, was meine Vorgänger/innen nicht schon gesagt haben? Entscheidet ihr euch für ein Praktikum im Archiv, erwartet euch viel – und noch viel mehr! Es gibt eher handwerkliche Aufgaben, wie das Umbetten, wo ihr alte Akten mit liebevoller Sorgfalt auf nicht mehr und nicht weniger, als ihre Lagerung bis in alle Ewigkeit vorbereitet. Dann gibt es eher bürokratische Aufgaben, wie das Verzeichnen, bei der Akten in die Datenbanken eingetragen werden, um den Zugriff zu ermöglichen. Außerdem könnt ihr euch in der Öffentlichkeitsarbeit versuchen, wenn ihr Bilderfreitage und Kalenderbilder vorbereitet und später im Internet einstellt.

Und damit ist nur das täglich Brot genannt! Immer wieder kommen Anfragen rein, die euer ganzes detektivisches Geschick fordern können. Menschen brauchen eure Hilfe, Akten über Verwandte zu finden, suchen nach Gebäuden, die längst nicht mehr stehen oder wühlen sich mit euch durch die skandalöse Geschichte so manches ehemaligen RWTH-Mitglieds. Und habt ihr euch jemals Gedanken über den Ginkgo-Baum gemacht, der vor dem Super C steht?

Dabei arbeitet ihr selbstständig, aber nicht alleingelassen. Mit kompetenter Selbstverständlichkeit bekommt ihr den theoretischen Hintergrund, den ihr braucht und den, den ihr nie geglaubt habt zu brauchen, aber dann doch braucht. Macht eine Reise durch die Wunder der (gratis) Informationsbeschaffung, denkt euch den Kopf wund über einem Zettel, der mit noch etwas schlimmerem beschrieben ist, als es meine Handschrift jemals sein könnte (und seid danach auch noch stolz!) oder sprecht mit Herrn Graf über die Grenzen des Urheberrechts und wie ihr eure nächste Präsentation mit Schnitzelbildern ausschmücken könnt, ohne auch nur die geringsten Probleme zu bekommen. Zudem unterstützt euch ein wirklich nettes Team, das ihr jederzeit auch mit den dümmsten Fragen löchern könnt, ohne dass sie euch böse sind. Wisst ihr dann doch nicht weiter oder seid einfach nicht so sozial unterwegs? Kein Problem, denn es gibt auch Anleitungen, die von anderen Praktikanten erstellt wurden und werden und die deshalb meist gut verständlich sind.

Ja, ihr habt richtig gehört! Ihr macht Sachen, die andere auch nach euch noch benutzen. Dabei geht es beileibe nicht nur um Anleitungen. Vom ersten Tag an, hinterlasst ihr Spuren im Archiv, denn von da an seid ihr Teil des Teams und übernehmt als solcher wichtige Aufgaben.

Mir hat es am Ende sehr viel Spaß gemacht und ich bin glücklich, das Praktikum angetreten zu sein. Der Teil aus der grauen Masse, der sich ‚Archivwesen‘ nennt ist um so vieles bunter geworden und ich fühle mich, als hätte ich ein wirklich gutes Bild von der Arbeit eines Archivars bekommen. Ein klareres Bild jedenfalls, als mir eigenständige Recherche im Internet oder diverse Vorlesungen hätten liefern können…

Die Arbeitsatmosphäre hat mich ebenfalls überzeugt, das Praktikum am Hochschularchiv der RWTH weiterzuempfehlen. Man ist eben nicht einfach der blöde nervige Praktikant, der an irgendeinen Tisch gesetzt wird und eine Aufgabe bearbeiten darf, die sonst keiner machen will, sondern man ist Teil des Teams und bekommt eher noch die interessantesten Aufgaben zugeschoben, weil man daran gut lernen kann.

Aber wieso kommt ihr nicht und schaut selbst? Es ist sicher keine verschwendete Zeit!

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Praktikum in einer Zeitmaschine

Mitten in meinem Studium, es war das fünfte Semester, besuchte ich eine Vorlesung über „Geschichtliche Grundbegriffe“. Ich müsste lügen, wenn ich behaupte, dass der Titel dieser Veranstaltung sofort meine Aufmerksamkeit und meine Begeisterung hatte. Ich rechnete mit einer drögen und mit theoretischen Begrifflichkeiten überfrachteten Veranstaltung. Doch kam es glücklicherweise anders. Wer an Archive denkt, mag ein Bild mit staubigen Akten und mit Regalreihen, in denen sich allerhand Archivalien stapeln, im Kopf haben. Sicherlich mag da etwas dran sein, jedoch sind Archive darüber hinaus etwas, was es sonst nur in Romanen und Filmen gibt: Zeitmaschinen! Denn – wie ich in der anfangs erwähnten Vorlesung erfuhr – entscheiden Archive darüber, was an Vergangenheiten zukünftige Benutzer in einem Archiv vorfinden werden.

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Zu meinem Praktikum im Hochschularchiv der RWTH gehörte ein gut strukturierter und organisierter Modulplan. Verschiedene und abwechslungsreiche Aufgaben, die von dem Praktikanten absolviert werden, eröffnen einen guten Einblick was es heißt, in einer – um auf den vorherigen Abschnitt zurückzukommen – Zeitmaschine zu arbeiten. So besteht eine Aufgabe darin, Akten danach zu bewerten, ob sie überlieferungswürdig sind oder kassiert (d. h. vernichtet) werden können. So wird entschieden, welche Akten zukünftige Benutzer zur Verfügung haben werden und vielleicht sogar im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsarbeiten verwenden werden.

Des Weiteren gehört die Sorge um die adäquate Aufbewahrung der Archivalien zur alltäglichen Aufgabe eines Archivmitarbeiters. Akten müssen in spezielle Pappordner umgebettet und von Plastik sowie rostanfälligem Material wie z. B. Tacker- und Büroklammern befreit werden. Mit einer fachgerechten Software werden dann Akten verzeichnet und in die Online-Findbücher eingespeist. Beim Verzeichnen werden u. a. – je nach Archivale – Angaben zum Verfasser, zur Entstehungszeit und zum Inhalt gemacht. Freilich erhält jede Archivale eine eigene Signatur, um sie in den Magazinen auffinden zu können. Was ein wenig banal und manchmal in der Tat etwas eintönig sein kann, ist allerdings von großer Wichtigkeit. Was nützen Regale voller Archivgut, wenn nicht zügig eine bestimmte Akte aufgefunden und einem Nutzer bereitgestellt werden kann, da Akten schlampig oder schlimmstenfalls nicht verzeichnet worden sind? Bestandserhaltung und sorgsames Verzeichnen ermöglichen also, dass auch zukünftige Generationen ihre Fragen an das Archivgut herantragen können.

Mehrfach wurde er schon erwähnt: Der Benutzer. Nicht zuletzt ihm soll ein Archiv von Nutzen und ihm bei seiner Anfrage behilflich sein. Selbstverständlich gehören die Beantwortung von Anfragen und die dazu gehörige Recherche auch zur Aufgabe des Praktikanten. Hierbei zeigen sich gut sortierte Magazine und sorgfältige Verzeichnisse von Vorteil, um effektiv eine Anfrage beantworten zu können. Nichtsdestotrotz erfordert die Recherche manchmal eine gewisse Hartnäckigkeit, da bisweilen das Durchprobieren verschiedener Suchbegriffe erforderlich ist, bis die vom Nutzer nachgefragten Archivalien gefunden sind. Umso größer fällt aber dann die Freude aus, die Anfrage nach längerer Recherche positiv beantworten zu können. Meistens bedankt sich auch der Anfragensteller und dann kann es sogar vorkommen, dass das Archiv in einer Publikation erwähnt wird, für welche es Archivalien bereitgestellt hat.

Von den unterschiedlichen Aufgaben im Archivalltag sei zu guter Letzt noch die aktive Öffentlichkeitsarbeit erwähnt. Damit die Archivalien, die nicht gleich für eine Anfrage benötigt werden, nicht versauern, zeigt das Hochschularchiv der RWTH z. B. jeden Freitag auf Facebook und Google+ Archivgut aus seinen Beständen. Das Recherchieren nach interessanten Archivalien und das Schreiben passender Texten hat mir besonders viel Freude bereitet. Und bei jedem dieser „Bilderfreitage“ gelangt ein kleines Stück Vergangenheit in die Gegenwart einer Zukunft.

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Kalenderbild März: Rein in die Schulden – raus aus den Schulden

Das Kalenderbild für den Monat März zeigt eine Staatsanleihe des Deutschen Reichs aus dem Jahre 1916. Auf dem kunstvoll gestalteten Wertpapier ist oben links der Reichsadler zu sehen, daneben der Titel „Anleihe des Deutschen Reichs“. Des Weiteren behütet die Germania, welche in der linken Spalte mit Schwert und Schild zu sehen ist, die Anleihe. Die Germania gilt als Verkörperung Deutschlands, deren Sinngehalt variierte. Zur Zeit des 1. Weltkrieges dürfte der nationalistische und kriegerische Aspekt dominiert haben.

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Der Wert der Anleihe beträgt 100 Mark, ein damals nicht unerheblicher Betrag, schließlich entsprach dies in etwa dem Monatslohn eines Facharbeiters. Dabei waren 100 Mark noch der geringste Wert, mit dem solch eine Anleihe herausgegeben wurde. Die hier gezeigte Anleihe lässt noch nicht erkennen, wofür der Staat das Geld benötigte. Es liegt freilich auf der Hand, dass mit den Wertpapieren der Krieg, der in Europa wütete und in verheerende Material- und Menschenschlachten mündete, mitfinanziert werden sollte. Da Deutschland isoliert dastand und keinen Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten hatte, musste aus anderen Quellen Geld in die Staatskasse gespült werden. Freilich hätte man die Bürger durch Steuererhöhungen direkt verstärkt zur Kasse bitten können. Doch hätte dies – mitten im Weltkrieg – wohl nur zu Unmut in der Bevölkerung geführt. Daher bot man der Bevölkerung – und eben nicht nur der Mittel- und Oberschicht, sondern auch der Arbeiterklasse – an, eine Anleihe zu erwerben, die Gewinn abzuwerfen versprach. Der Zinssatz der hier abgebildeten Schuldverschreibung schlägt nämlich – aus heutiger Sicht – mit sagenhaften 5 % zu Buche, der dem Inhaber halbjährlich jeweils am 2. Januar und am 1. Juli auf Zinsscheinen gutgeschrieben wurde. Doch ist Vorsicht im Umgang mit diesem Dokument geboten: Wer schlampig mit dem Zinsschein umging, sodass etwa eine Ecke verloren ging, verlor die Gültigkeit seines Scheins.

Wie stand es nun um die Gewinnaussichten? Wer sich eine üppige und rasche Rendite versprach, der täuschte sich jedoch darüber hinweg, dass der Inhaber einer solchen Schuldverschreibung diese nicht einfach kündigen konnte. Das Deutsche Reich behielt sich nämlich vor, die hier erwähnte Anleihe frühestens zum 1. Oktober 1924 zu kündigen. Mit Blick auf die Reparationsleistungen nach dem gegen Frankreich gewonnen Krieg von 1870/71 erhoffte man sich aber, die Anleihen mit ebensolchen Leistungen nach einem siegreichen Krieg wieder ausgleichen zu können. Als schließlich der ersehnte Sieg ausblieb und Deutschland nun seinerseits Reparationen leisten musste und zur Finanzierung des sogenannten „Ruhrkampfes“, in welchem belgische und französische Truppen wegen unzureichender Zahlung das Ruhrgebiet besetzten, ließ der deutsche Staat immer mehr Geld drucken, bis es zur Hyperinflation von 1923 kam. Da das Geld nichts mehr wert war, war der Staat zwar seine Schulden los, doch das Geld der Inhaber von Anleihen wertlos. Erst durch die Beendigung des Ruhrkampfs und die Einführung der Rentenmark 1923 durch Gustav Stresemann stabilisierte sich die deutsche Wirtschaft. Immerhin wurden Anleihen vor dem 1. Juli 1920 mit neuen Anleihen aus der Anleiheablösungsschuld von 1925 ausgeglichen.

Internetquellen: Christen, Peter: Deutsches Finanzministerium lässt einzigartige Dokumente deutscher Wirtschaftsgeschichte in London versteigern.

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Kalenderbild Februar: Wer ist der Mann neben dem Eisbären?

Das Kalenderbild für den Monat Februar zeigt einen Eisbären neben einem Mann im Trenchcoat. Gut, sofern Eisbären nicht plötzlich kalte Tatzen bekommen haben und daher dazu übergangen sind, Schuhe zu tragen und auf zwei Beinen zu gehen, handelt es sich bei dem vermeintlichen Eisbären offensichtlich um einen Menschen im Kostüm. Doch die viel spannendere Frage lautet, wer ist der Herr neben dem pelzigen Gesellen?

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Sig. 9.4.3

Um den Herren auf dem Foto handelt es sich um keinen Geringeren als den Mathematiker Herrn Prof. Dr. Reutter. Reutter wurde am 26.08.1911 in Karlsruhe geboren und verstarb ebendort am 28.08.1990. 1953 auf den Lehrstuhl für Mathematik, insbesondere Darstellende Geometrie, an der RWTH Aachen berufen, verübte er dort einen großen Teil seiner Zeit als Hochschullehrer (1953–1979). Sein Wissen über viele Disziplinen innerhalb der Mathematik fand bei seinen Kollegen große Anerkennung.

Dass das damals noch recht junge Studienfach namens „Informatik“ 1971 als Nebenfach für den Diplomstudiengang Mathematik an der Universität Aachen belegt werden konnte und schließlich schon zum Wintersemester 1972/73 zum eigenständigen Diplomstudiengang mit 76 Studienanfängern innerhalb der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät avancierte, ist nicht zuletzt das Verdienst dieses Hochschullehrers. Freilich wäre das ohne die Unterstützung von den Professoren der benachbarten Studiengänge nicht möglich gewesen. Von 1965–1970 übernahm Prof. Dr. Reutter zudem die Leitung des Rechenzentrums.

Kurz nach dem 70. Geburtstag des Mathematikers verlieh ihm die RWTH Aachen die akademische Würde eines Ehrensenators, wie aus dem Schreiben des damaligen Rektors (Sig. 12083) zu entnehmen ist:

„Rektor und Senat der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen haben auf Beschluß des Senats Herrn Professor Dr. rer. techn. Fritz Reutter aus Aachen in Anerkennung seiner großen Verdienste um Erhalt, Konsolidierung und Ausbau des Instituts für Geometrie und Praktische Mathematik, um die Leitung des Rechenzentrums sowie insbesondere um die Hochschulselbstverwaltung und damit um die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen die Würde eines Ehrensenators verliehen.“

In seiner Rede zur Ernennung zum Ehrensenator ermutigt er u. a. Absolventen, sich nicht allzu sehr in Sorgen zu verlieren, keinen angemessenen Arbeitsplatz zu finden.

„Heute erscheinen die Aussichten für die Zukunft vielen wieder getrübt. Die Ungewissheit, wie sich bevorstehende Strukturänderungen an den Hochschulen auswirken, die finanziellen und personellen Restriktionen, die Sorge nach Abschluss des Studiums, keinen befriedigenden Arbeitsplatz zu bekommen, gehören zu den Anlässen für die Sorgen. Wenn ich an 1945 zurückdenke, wo es ungleich viel größere Schwierigkeiten gab, dann bestünde eigentlich kein Grund zu Pessimismus, wenn der Wille und die Einsatzbereitschaft bei allen Beteiligten sich mit damals messen kann.“ (Sig. 12083. S. 5).

Angesichts der Bologna-Reform mit der Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge kommt seinen Worten nach wie vor Aktualität zu, wenn er davor warnt, dass „man [nur] nicht versuchen [darf], den Freiraum für eigenverantwortliches Handeln durch zu viele Regeln soweit einzuschränken, dass der Mut zur Eigeninitiative (ohne die wissenschaftliches Leben nicht denkbar ist) ganz unterdrückt wird.“ (Sig. 12083. S. 5).

Reutter genoss bei seinen Kollegen hohes Vertrauen und war dazu in der Lage, im Falle von Konflikten zu einem für alle Beteiligten guten Ausgleich zu kommen. So verwundert es nicht, dass er auch ein Herz für Eisbären hatte. Mit welchem Anliegen konnte Reutter ihm wohl behilflich sein?

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Kalenderbild Januar: Grüße aus Aachen

Frohes neues Jahr!

Die abgebildete Postkarte vom 19.02.1923, auf deren Vorderseite das Hauptgebäude (mittig) der technischen Hochschule Aachen, das Hansemann-Denkmal (rechts) und das Marschiertor (links) zu sehen ist, bietet ein kompaktes Stück Aachener Stadt-Geschichte. Warum denn nicht das neue Jahr gleich mit einem kleinen Rundgang im Aachener Stadtkern beginnen? Auch demjenigen, dem das zu anstrengend ist und / oder ohnehin die nicht unbekannten Bauten kennt, der wird sich bestimmt an diesem kleinen Rundgang in Schriftform dennoch erfreuen.

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Sig. 9.3.d

Begeben wir uns nun zum Hauptgebäude der Hochschule Aachen am Tempelgraben: Dieses Bauwerk entstand zwischen 1865 und 1870. Aus Platzgründen wurde das Gebäude schließlich zwischen 1926 und 1928 erweitert (siehe Signatur 434). Weitere Umbauarbeiten erfolgten 1939/40, so wurde etwa das Quecksilber-Laboratorium (Signatur 485) umgebaut und erneuert und schließlich 1940 die neu errichtete Aula eingeweiht. Unglücklicherweise erlitt das Hauptgebäude im Zuge des Zweiten Weltkrieges schwere Beschädigungen, welche aber bis zu den frühen 1950er größtenteils beseitigt werden konnten.

Springen wir großzügig ein paar Straßen weiter und besuchen wir David Justus Ludwig Hansemann, der heute nahe der Monheimsallee wohnhaft ist. Hansemann (1790–1864) absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und brachte es in seinem Leben zu Wohlstand. Er gründete fleißig Unternehmen in Aachen und verwendete einen nicht unerheblichen Teil seiner Gewinne für gemeinnützige Zwecke. Seine Tätigkeiten erstreckten sich auch auf die Politik, so wurde er z. B. etwa 1828 Mitglied des Stadtrates. Ebenfalls machte er sich für ein stärkeres Mitspracherecht des zwar vermögenden, aber an politischen Einfluss mangelnden Bürgertums stark. Berühmt wurde sein Satz „In Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf“, den er am 08. Juni 1847 im Preußischen Landtag von sich gab, womit er den damaligen Finanzminister Franz von Dueseberg angriff, welcher ohne Absprache Schulden aufgenommen hatte. Hansemann zu Ehren wurde am 29.09.1888 das bekannte „Hansemann-Denkmal“ nahe der Monheimsallee eingeweiht.

Noch ein letzter Sprung zum Marschiertor an der Franzstraße: Etwa um 1300 fertiggestellt stammt es mit seinen über 700 Jahren aus dem Mittelalter. Das massive Tor war das Südtor der äußeren Aachener Stadtmauer und dürfte mit einer Breite von insgesamt 23,8 Metern – wenigstens vor dem Aufkommen von Kanonen – bestens gegen Belagerer gewappnet gewesen sein. Einem Brandbombenangriff am 14. Juli 1943 hielt das Bollwerk (freilich) nicht stand und wurde schwer beschädigt. Durch Spenden konnte glücklicherweise das Tor 1959 vollständig wiederhergestellt bzw. rekonstruiert werden. Heute ist das Marschiertor keineswegs bloß Überrest aus einer vergangenen Zeit, sondern wird außerdem von Vereinen genutzt.

  Internetquellen: https://de.wikipedia.org/wiki/Hauptgeb%C3%A4ude_der_RWTH_Aachen https://de.wikipedia.org/wiki/David_Hansemann http://www.aachener-zeitung.de/blogs/serendipity/index.php?/archives/386-David-Hansemann-und-seinDenkmal.html http://www.aachener-nachrichten.de/news/wirtschaft/david-hansemann-unternehmer-sozialreformer-visionaer-1.886215 https://de.wikipedia.org/wiki/Marschiertor

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Archiv ist…mehr als gedacht!

 LeaPlum_2Die Leiterin des Hochschularchivs, Frau Prof. Dr. Roll, hatte im Rahmen einer ihrer Vorlesung die Möglichkeit, dort ein Praktikum zu absolvieren, vorgestellt und somit mein Interesse geweckt. Da ich Gesellschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Soziologie studiere, hatte ich dies zuvor nicht in Betracht gezogen. Nach einem ersten Gespräch verständigten wir uns auf einen Praktikumsbeginn im Oktober. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur eine abstrakte Vorstellung meiner zukünftigen Tätigkeiten auf Basis der vorab ausgehändigten Modulübersicht und ging dementsprechend gespannt in meine erste Woche im Archiv. Mein Praktikum begann in medias res mit dem Besuch eines Filmteams der WDR Lokalzeit Aachen, das Bilder und Urkunden von Maria Lipp für einen Beitrag abfilmte. Dies war ein guter Indikator für die kommende Zeit. Archivalltag ist alles – aber nicht vorhersehbar! Die Modularisierung einiger Praktikumsbestandteile verbindet Theorie und Praxis anschaulich. Darüber hinaus erhält man die Gelegenheit, sich auch in Bereichen auszutesten, die man sonst nicht erschließen würde. In meinem Fall trifft dies besonders auf die viel erwähnte Paläographie zu. Ohne das zugehörige Modul hätte ich mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals mit alten Schriften beschäftigt. Ich muss eingestehen, dass die dort erworbenen Kenntnisse während des Stöberns mehrfach Anwendung gefunden haben, auch wenn ich eingangs davon nicht sonderlich überzeugt war. Im Großen und Ganzen zeichnet sich das Praktikum durch eine gesunde Mischung aus anspruchsvollen und entspannten Tätigkeiten aus. (Für mich) überraschenderweise habe ich durch dieses Praktikum Gefallen an Öffentlichkeitsarbeit gefunden. Dies war im Vorhinein für mich in keinster Weise erstrebenswert und hatte für mich den Stellenwert des „Irgendwas mit Medien“. Durch die aktive Nutzung Facebooks lernte ich die technischen Möglichkeiten dessen aus Unternehmersicht kennen. Der geschäftliche Umgang mit Facebook unterscheidet sich stark von der privaten Nutzung. Es gilt ungleich mehr Faktoren zu beachten, um Beiträge zu erstellen, die für NutzerInnen interessant genug sind, um sie zu bemerken, aber auch präzise genug, um schnell erfassbar zu sein. Im Zuge dessen konnte ich mir die Archivbestände durch Sichtung einer Vielzahl an Archivalien erschließen. Besonders imponiert hat mir die freie, selbstständige und kollegiale Arbeit. Jeder hat seinen eigenen Zuständigkeitsbereich und trotzdem kann man sich zu jedem Zeitpunkt auf die KollegInnen verlassen. Auch wir PraktikantInnen sind Teil des Teams. Jeder denkt mit und trotzdem arbeitet man weitestgehend eigenständig sowie selbstverantwortlich. Daraus ergibt sich ein großer Gestaltungsspielraum. Zudem gibt es einen großen Pool an Aufgaben, die es zu erfüllen gilt. Somit kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile oder gar Untätigkeit auf. Meine Zeit im Archiv ist wie im Flug vergangen. Es war eine aufregende und lehrreiche Zeit mit einem starken Team, das mich mit offenen Armen aufgenommen und mir Raum gegeben hat, meine Ideen gemeinsam umzusetzen. An dieser Stelle möchte ich eine klare Empfehlung an alle Praktikumssuchenden aussprechen. Hier habt ihr die Möglichkeit strukturiert und selbstbestimmt als Teammitglied zu arbeiten.

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Irgendein Praktikum? – Nein, ein ganz besonderes!

PraktikantinSchwaebisch„Und was machst du jetzt nach der Schule?“ „Erstmal ein Praktikum beim Hochschularchiv“ „Aha, also etwas mit Akten?“ – Ja klar, aber mit noch viel mehr!

Die Aufgaben in einem Hochschularchiv sind unglaublich vielseitig. Durch mein Praktikum habe ich die Chance bekommen, all diese Aufgaben kennenzulernen.

Selbst Aufgabenbereiche mit den unspannenden Bezeichnungen wie „Umbetten“ oder „Verzeichnen“ machen erstaunlicherweise sehr viel Spaß. Ich selbst hätte nie gedacht, was für ein tolles Gefühl es sein kann, Dokumente mit speziellem Kleber zu reparieren und mit einem Latexschwamm zu reinigen. Der Gedanke, dass man die Akten so für die Ewigkeit haltbar macht oder dies zumindest versucht, ist einfach schön.

Generell hat mich die Nähe zu all den unterschiedlichen Dokumenten, die aus einer früheren und damit auch fremden Zeit stammen, sehr beeindruckt. Man kann unglaubliches geschichtliches Wissen besitzen, aber es ist dennoch etwas ganz anderes und vor allem besonderes, wenn man ein Dokument aus einer vergangenen Zeit dann in den Händen hält. Das hat mich immer wieder fasziniert.

Das Umbetten bot außerdem die Gelegenheit, spannende Dokumente zu entdecken! Um diese dann mit der Öffentlichkeit zu teilen, gab es die Möglichkeit, einen Facebook-Post zu erstellen. Die Idee des Bilderfreitags mit der „Archivalie der Woche“ fand ich von Anfang an eine tolle Idee. Sich dafür einen interessanten Text zu überlegen, hat mir immer Freude gemacht.

Es gab aber noch vieles weiteres, was ich lernen durfte! Im Modul „Archivrecht“ habe ich etwas über die langen Sperrfristen gelernt, im Modul „Bewertung“ über den Druck, der auf einem Archivar lastet, das „Richtige“ aufzuheben und im Modul „Paläographie“  alte Schriften zu lesen.

Nicht zu vergessen zu erwähnen ist eine der Hauptaufgaben im Archiv: das Beantworten von Anfragen. Jede Anfrage stellt einen vor neue Herausforderungen. So kam es beispielsweise, dass wir einmal im Team damit beschäftigt waren, Unterschriften zu vergleichen, weil wir den Namen eines Dekans, der gesucht wurde, herausfinden wollten. Das haben wir am Ende auch zum Glück geschafft!

Meistens wird man für seine Recherchebemühungen auch mit einer netten Dankesmail belohnt. Darüber habe ich mich auch immer sehr gefreut.

Natürlich gibt es auch Dinge, die weniger spannend sind. Das Einscannen von Vorlesungsverzeichnissen zum Beispiel. Aber auch das muss gekonnt sein! Und das Korrekturlesen der sogenannten Findbuchdatei muss schließlich auch von jemandem erledigt werden. Wie bei den wenigsten Praktika, hat man im Hochschularchiv auch das Gefühl, eine Unterstützung zu sein.

Was ich außerdem gelernt habe: sechs Wochen können verdammt schnell vergehen!  Ich hatte nicht nur eine besonders lehrreiche, sondern auch eine  sehr erlebnisreiche Zeit. Deshalb bin ich auch sehr traurig, dass es so schnell zu Ende ging. Ich nehme aus dem Praktikum sehr viel mit und bin daher sehr dankbar, dass ich es im Hochschularchiv machen durfte, obwohl ich noch keine Studentin bin.

Insgesamt kann ich nur bestätigen, ein Praktikum im Hochschularchiv lohnt sich wirklich und bereichert einen ungemein. Ich möchte mich beim gesamten Team für jegliche Einweisungen und Hilfestellungen bedanken. Ich hab mich während meines Praktikums immer sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt.

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Kalenderbild November: Großes Labor mit kleinen Strukturen

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Sig.: Rückseite der AMA 1997/1998

Das Kalenderbild des Monats November zeigt ein Foto des AN-Instituts „Adavanced Micro Electronic Center Aachen“. Dies ist auch bekannt als AMICA, welches von Schnee umgeben und der Sonne bestrahlt, die Rückseite der ALMA MATER AQUENSIS (AMA) der Jahre 1997 und 1998 ziert. Die AMA war ein Magazin, in dem alles rund um die stattgefundenen Ereignisse der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule zu lesen war, also das Jahrbuch der RWTH. Im Allgemeinen gilt AMICA als Brücke zwischen Physik  und Elektrotechnik.

AMICA wurde 1997 nach einem Beschluss der nordrhein-westfälischen Landesregierung durch den ehemaligen Leiter des Instituts für Halbleitertechnik Herrn Professor Heinrich Kurz gegründet und wird von der gemeinnützigen AMO GmbH, Gesellschaft für Angewandte Mikro- und Optoelektronik, geleitet. Inzwischen feierte das Nanotechnologiezentrum am 7.Juli sein 20-jähriges Jubiläum und hat seit seiner Gründung eine beachtliche Entwicklung hingelegt.

Die Amo hat sich internationales Ansehen verschafft und kooperiert mit über 200 führenden Industriepartnern aus der ganzen Welt. Weiterhin ist sie durch ihre Herstellung des Graphen Transistor ein prominenter Teil des europäischen Projekts „Graphene Flagship“ geworden. Im 400 Quadratmeter großen Reinraumlabor werden, neben der Optimierung von Bauteilen für Kommunikationsmedien wie Handy und Computer, auch wesentliche Bauelemente eines Computers erforscht wie zum Beispiel „high-k-Isolatoren“.

Nach dem plötzlichen Tod des Geschäftsführer Professor Heinrich Kurz übernahm im Februar 2017 Professor Dr. Max Christian Lemme die Leitung der AMO GmbH. Er förderte die Reinrauminfrastruktur der  AMICA und die Ausrichtung der Amo im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik. Die Tradition des Gründers soll durch ihn fortgesetzt werden. Die Amo als „Pfadfinder“ für neue Technologien und AMICA dient als der zuverlässige Partner, um diese zu verwirklichen.

Festzustellen ist auch, dass das Nanotechnologielabor AMICA nicht nur eine äußerst wichtige Rolle für die AMO spielt, sondern auch für Studenten viele Möglichkeiten bietet. Diese  können dort Teil des internationalen Forschungsteams werden und ihre Abschluss- oder Doktorarbeit schreiben.

Abschließend lässt sich sagen, dass AMICA ein großes und bedeutsames Labor der RWTH ist, in dem neue Technologien erforscht werden und sie noch zukünftig vielversprechende Innovationen entwickeln werden.

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Kalenderbild Oktober: wat jehen mia die andan an?

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Signatur: S5096

KalenderOktoberBild2Das Kalenderbild des Monats Oktober zeigt die Vorder- und Rückseite des 136-seitigen Studienführers der RWTH Aachen aus dem Jahr 1963. Damit war es der erste Studienführer, den der Allgemeine Stundentenausschuss (kurz AstA) seit 1957 herausgegeben hat, und diente, wie auch heutige Ausgaben, der Informations- und Orientierungshilfe von Erstsemester-Studenten. Zusammen gestellt und redigiert wurde diese Ausgabe von Ingemar Lange, dem damaligen Pressereferenten des AstA.

Schon beim ersten Betrachten des Hefts fallen einem dieKalenderOktoberBild1 Zeichnungen einiger Aachener Wahrzeichen auf: die Plastik Karls des Großen am Karlsbrunnen, den Aachener Dom, das Ponttor, die Pferdestatue am Theater,das Hauptgebäude der RWTH sowie das damals noch junge Audimax-Hörsaalgebäude, welches 1954 errichtet wurde. Darüber hinaus werden aber auch zeitlose Themen für Student/innen angesprochen; vielseitig fließen sie in die Collage ein: Mietzahlungen, Vorurteile gegenüber den Ingenieursfächern, unzählige Graphen und Formeln, Liebesangelegenheiten und die Anmerkung „wat jehen mia di andan an?“ auf Öcher Platt sprechen pars pro toto für das KalenderOktoberBild3Aachener Studentenleben allgemein.

Für die Zeichnungen verantwortlich ist Prof. Dipl.-Ing. Konrad Schalhorn. Von ihm liegen dem Archiv noch weitere Bilder vor. Seine Skizzen lassen auf seinen persönlichen Hintergrund schließen: von 1958 bis 1965 studierte er Architektur an der RWTH – so erschließt sich auch sein Augenmerk auf Gebäude und Kunst und die Verwirklichung dieses Designs auf Millimeterpapier. Prof. Schalhorn ist auch für die Spende des Studienführers und der Vorlagezeichnung an das Archiv zu danken.

Des Weiteren wurde unter Schmeissers Amtszeit auch der Bau des ersten Wohnheimturms an der Roermonder Straße, des Otto-Petersen-Hauses, veranlasst. Es wurde 1965 fertiggestellt. Schmeisser trat sein Amt als Rektor der RWTH jedoch bereits einen Monat nach Veröffentlichung des Studienführers im Oktober am 12. November an Prof. Aschoff ab, unter dessen Leitung beispielsweise die Philosophische Fakultät gegründet wurde – für mich als Literaturwissenschafts- und Philosophiestudentin ein Meilenstein in der Aachener Hochschulgeschichte!

Signatur: 1.2.1 Kar

Was passierte sonst im Jahr 1963?

Am 7. Mai dieses Jahres hatte die RWTH einen schweren Verlust zu betrauern: Theodore von Kármán, Leiter des Aachener Instituts für Mechanik und flugtechnische Aerodynamik und Gründer der Flugwissenschaftlichen Vereinigung Aachen, von der ihr schon auf unserem letzten Kalenderblatt mehr erfahren habt, verstarb. Nach ihm sind viele Einrichtungen der Universität und sogar eine Straße benannt. Das Kármán-Auditorium, welches gegen Mitte der 1970er Jahre fertiggestellt wurde, hat übrigens mit Beginn des Sommersemesters dank der Fertigstellung des neuen Hörsaalgebäudes C.A.R.L. am Westbahnhof nach nunmehr fast 50 Jahren ausgedient. Es ist noch unklar, ob es umfassend saniert werden soll – da es unter Denkmalschutz steht, wird es der Stadt aber wohl zumindest erhalten bleiben.

Quellen: Fotos/Scans aus dem Archivbestand, Alma Mater Aquensis 1963, Websitenlinks, Gerald Eimer: http://www.aachener-nachrichten.de/lokales/aachen/karman-auditorium-hat-bald-ausgedient-1.1581178 (eingesehen: 07.07.2017)

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„Höllische Nachbarn“ im Hochschularchiv der RWTH – Das Modul Paläographie

Sig.: 508 b; Vorderseite

Bei unserer Recherche zu einer Anfrage sind wir auf einen außergewöhnlichen Fund gestoßen. Zwischen all den oftmals langweilig wirkenden Sachakten entdeckten wir einen Beschwerdebrief eines damaligen Dozenten an den ehemaligen Rektor Röntgen. Er beschreibt die angeblichen Fantasiegespinste einer Frau aus seiner Nachbarschaft, welche er mit nationalsozialistischem Jargon denunziert. Da uns der Vorfall interessierte, recherchierten wir weiter und fanden den diesem Schreiben vorausgegangenen handschriftlichen Beschwerdebrief eben dieser Nachbarin. Darin beschreibt sie ihre Sicht der Dinge.

Als uns der Brief jedoch in die Hände gefallen ist, konnten wir zunächst kaum ein Wort nach der Kopfzeile entziffern. Während diese noch in den uns bekannten römischen Buchstaben verfasst ist, ist der nachfolgende Text in einer althochdeutschen Schreibschrift verfasst. Hier sieht ein d aus wie ein v, es gibt je nach Position im Wort verschiedene s-Buchstaben, das ch erinnert an ein y – und darüber hinaus haben noch zahlreiche weitere Probleme das Lesen erschwert. Erst durch das Modul Paläographie bei Herrn Graf lüftete sich das Geheimnis um diesen kuriosen Nachbarschaftsstreit.

Hier lernten wir zunächst die zehn goldenen Regeln der Paläographie (unter anderem, dass es sich im Zweifel immer um ein w handelt und man notfalls ein Wort rückwärts zu entziffern versuchen sollte). Dann dröselten wir einzelne gut leserliche Worte und Textzeilen auf und übertrugen jeden Buchstaben auf ein separates Blatt. Auf dieses konnten wir bei schwierigeren Textstellen zurückgreifen. Nach und nach entschlüsselte sich uns so der Brief. Doch bevor Sie unsere Übertragung lesen, versuchen Sie doch einmal selbst, den ein oder anderen Satz zu entschlüsseln! Falls Sie Hilfe dabei brauchen, können Sie folgendes Video anschauen, das von uns Praktikanten zu diesem spannenden und hilfreichen Modul erstellt wurde. Wir sind auf jeden Fall sehr glücklich, das Modul Paläographie mit so einem interessanten Zufallsfund vorstellen zu können.

Nachfolgend finden Sie unsere Transkription des Textes:     Aachen, den 28.5.33. Hochverehrter Herr Prof. Dr. Röntgen,  

Endes-Unterzeichnete erlaubt sich Euer Magnifizenz, folg. zu Ihrer Beurteilung zu unterbreiten:

Sig.: 508 b; Rückseite

Wir bewohnen seit 3 Jahren das Parterre im Hause Rütscherstr. 52. Der Privat Dozent H. Dr. Schröder der techn. Hochschule bewohnt seit 3 Monate [sic!] die 2te Etage desselben Hauses. Das Dienstmädchen des Herrn Dr. Schröder hat die üble Gewohnheit den Mülleimer, der Mittags 12 Uhr geleert wird, entweder in meinen [sic!] Vorgärtchen hineinzuschmeißen, wo frisch alles wächst, oder in den Flur bis Abends spät zu stellen; oft noch den Kindersportwagen dabei. Der Hauseigentümer sowie das Hausgesetz verbieten solches, der Flur muß frei sein. Dem H. Dr. Schröder wurde es mitgeteilt. Er versprach auch Abhülfe, aber trotzdem war es immer dasselbe.

Dieses ist die Grundlage für den folg. großen Streit. Ich nehme an, daß Frau Dr. Schr. mit den Herausforderungen Ihres Dienstmädchens uns gegenüber einverstanden ist, da sie samt Mädchen sogar meine verh. Tochter, die nicht im Hause wohnt, auf der Straße ausgelacht haben; und als meine Tochter sich später darüber beschwerte, wir uns noch Grobheiten mußten sagen lassen.

Am Dienstag Abend, dem 23. d. M. kam es nun zum offenen Streit.

Der Eimer stand bis 6 Uhr Abends in der Straße, wurde dann vom Dienstmädchen in den Flur gestellt. Um 7 Uhr als die Familie der I Et. (?) [sic!] nach Hause kam, von dieser in unsere Schlafzimmer Tür gestellt.

Darauf befahl ich meiner Tochter den Eimer in die Straße zu stoßen. Als gegen 8 Uhr Herr Dr. Schr. mit seiner Familie nach Hause kam, erlaubte sich das Dienstmädchen die Schimpfnamen – „wer hat den Eimer herausgestellt, den ich hereingestellt habe, diese Saubande und s. w.“

Mein Mann öffnete die Küchentür und frug – „gehen diese Schimpfnamen uns an?[“] Herr Dr. Schr. gebot darauf meinem Mann Ruhe, lächerlich in unserer eigenen Wohnung. Dann drehte er sich um, er stand fast in unsere Küche hinein, er hob den schweren Stock, [den] er bei sich führte und wollte mit der Krücke auf meine 33 jähr. Tochter schlagen. Mein Mann suchte den Schlag zurück zu halten mit dem linken Arm und [er] hielt ihn über den Arm ins Gesicht auf das linke Auge, welches noch heute in verschiedenen Farben zu sehen ist. Dann holte er zum 2ten Schlag aus worauf meine Tochter die ernste Situation überblickend 2 kleine allu. Milchkesselchen schnappte, in den Flur schmiß ohne jedoch den H. Dr. zu treffen. Frau Dr. Schr. stand mit dar neben mit dem Riemen des Sportwagens, ebenfalls zum Schlagen bereit. Es folgten dann noch ein[ige] Schimpfereien, und ich schloss unsere Wohnung ab; um alles weitere zu verhüten.

Ich hätte mir gewünscht, Sie hochverehrter Herr hätten diesen Mann gesehen, wie der sich benahm. Ich frage Sie nun: ist das national-akademisch??? Ist das der Erfolg der großen Rede des Herrn Dr. Sch.??

Es ist unerhört, daß sich ein 70 jähr. alter, unbescholtener Mann, der 36 Jahre in Staatsdiensten gestanden und unter eigener Lebensgefahr in der Besatzungszeit dem Staate Dienste geleistet und Inhaber des Verdienstkreuzes I. Kl. ist – sich von einem jungen Mann, muß das Gesicht schänden lassen?? Das hochverehrter Herr nur zur [sic!] Ihrer Kenntnis und Beurteilung.

 Mit vorzügl. Hochachtung Frau Hein. Jansen geb. Louise [Fey/Fich/Fech] Rütscherstr. 52 p.


von Alina Menden und Sarah Schmidtmann

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