Kalenderbild Juni: RWTH Rektor unter RCDS-Einfluss?

Das abgebildete Flugblatt wurde im Rahmen der ausstehenden Wahlen des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) vom Marxistischen Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) veröffentlicht.

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Quelle: Sammlung Alexander Lohe

Der am 20. Mai 1971 als Bundesverband gegründete MSB Spartakus bestand bis zur Wende 1990 und war ein Studentenverband der Deutschen Kommunistische Partei. Seit den 1970er Jahren bildete er einen der bundesweit einflussreichsten Studentenverbände mit zeitweise bis zu 6.500 Mitgliedern. Seine Wurzeln finden sich in der Studentenbewegung der 1960er Jahre. Die politischen Ziele und Leitlinien des MSB Spartakus waren unter anderem die soziale Lage der Studenten – dabei vor allem die individuelle und institutionelle Verbesserung der Studienbedingungen und das BAföG – , die Verteidigung des politischen Mandats der Studentenschaft, sodass die Stellungnahme zu politischen Fragen jeder Art weiterhin stattfinden konnte und der Sozialismus. Der MSB Spartakus nahm eine Frontstellung gegenüber als „linksradikal“ gewerteter Gruppen und dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) ein.

Auf den letztgenannten RCDS bezieht sich auch das vorliegende Flugblatt. Der 1951 in Bonn gegründete RCDS gilt als ältester und größter immer noch bestehender politischer Studentenverband. Nachdem er seine Position in den Studierendenparlamenten in den 1960er Jahren zeitweise stärken konnte, wurde er durch die Studentenbewegung in die Defensive gedrängt und konnte erst zu Beginn der 1990er Jahre , nach dem Zusammenbruch linker Studentenverbände (wie zum Beispiel auch dem MSB Spartakus), wieder Fuß in den lokalen Studentenvertretungen fassen. Er vertritt ein christlich-abendländisches Menschenbild, eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, sowie die soziale Marktwirtschaft und ist europäisch orientiert. Durch den wiederkehrenden Versuch aktiver Neonazis an einer Mitarbeit im RCDS ist er immer wieder Kritik ausgesetzt.

Das vorliegende Flugblatt thematisiert die Einflussnahme des RCDS auf den damaligen Rektor der RWTH Aachen, Günter Urban. Urban studierte von 1947-1953 Kunstgeschichte, Archäologie und Volkskunde an den Universitäten in Frankfurt am Main und Pisa. 1972 wurde ihm der Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege der Fakultät für Architektur an der RWTH Aachen übertragen. Nachdem er 1979 Prorektor wurde, war Urban ab 1980 bis 1984 Rektor der RWTH Aachen.

In dem vorliegenden Flugblatt wirft der MSB Spartakus Rektor Urban vor, dass dieser mit dem RCDS sympathisieren würde, was er an einer Weigerung Urbans festmachte, den Genehmigungsstempel unter ein Plakat des MSB Spartakus zu setzen. Grund für die Weigerung Urbans war der Vorwurf des MSB Spartakus an den RCDS, dass diesem der Einsatz von Pershing-II- Raketen lieber sei als Bildung. Da Urban diese Äußerung als ziemlich drastisch einstufte, hielt er zuerst Rücksprache mit dem damaligen Vorsitzenden des RCDS, Ustorf, bevor er die Plakate zur Veröffentlichung abstempelte, nachdem dieser sein Einverständnis gegeben hatte. Diese Aktion nutzte der MSB Spartakus als Aufhänger, um seine Vorwürfe gegenüber dem RCDS zu untermauern: Sie würden nach Lust und Laune genehmigen oder verweigern, sie würden die Studenten „verschaukeln“ und nun auch noch die Geschäfte des Rektorats übernehmen. Um dies zu verhindern, schließt das Flugblatt des MSB Spartakus mit einer Aufforderung, den MSB Spartakus zu wählen und den Worten: „Gemeinsam kippen wir den rechten AStA!“

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Man sagt, das Internet vergisst nie, doch ein gutes Archiv vergisst auch nie

Für mein Pflichtpraktikum habe ich sieben schöne Wochen im Archiv der RWTH verbracht. Jedes Mal, wenn ich davon erzählt habe, folgte die gleiche Reaktion aus ungläubigen, fragenden Augen. „Und was machst du da so? Das ist doch bestimmt total langweilig.“ Tatsächlich konnte sich kaum jemand aus meinem Bekannten- und Freundeskreis vorstellen, was in einem Archiv wirklich gemacht wird. Die Erfahrungen, die ich hier sammeln durfte, haben mir gezeigt, wie vielfältig und spannend Archivarbeit sein kann. Das Vorurteil des staubigen dunklen Kellerraums, in dem den ganzen Tag Akten sortiert werden, ist falsch!

Zugegeben, ich war selbst anfangs etwas überrascht, wie viele Bereiche der Alltag eines Archivmitarbeiters umfasst. Als Praktikantin hatte ich die Möglichkeit, durch vorgegebene Module in Aspekte vom Archivgesetz bis zur Videobearbeitung hineinzuschauen und mir Grundlagen anzueignen. Ich habe aus jedem Bereich positive Erfahrungen ziehen können, auch wenn ich zuerst dachte, mich nicht dafür begeistern zu können. Im Modul über Paläographie lernte ich die Kunst alte Schriften zu lesen. Dies ist eine mühsame, doch zugleich erfüllende Fähigkeit, die für jeden, der sich für Geschichte und/oder ältere Originaltexte interessiert, hilfreich ist. Das Wissen darüber konnte ich während eines Museumsbesuchs in meiner Freizeit direkt anwenden. Meine Mutter staunte nicht schlecht, als ich ihr einige Zeilen eines älteren handgeschriebenen Briefes vorlesen konnte. Oder als ich einem Freund über das Erlernte zum Urheberrecht berichtete, war die Reaktion ehrliches Interesse und ein längeres Gespräch entstand. Ein Praktikum im Hochschularchiv bedeutet also fürs Leben lernen.

Besonders gut hat mir außerdem die freundliche Atmosphäre gefallen, in welcher man sich vom ersten Tag an wohl fühlt. Die Angst vor Fehlern wird einem dadurch schnell genommen und es ist kein Beinbruch, wenn man viele Fragen hat. Am besten hat mir gefallen, wie viel Verantwortung ich übernehmen durfte. Ich hätte nie gedacht von Anfang an Mails beantworten zu dürfen oder je in einem Video für YouTube mitzuwirken. Das Recherchieren in den verschiedensten Akten habe ich als sehr lehrreich und zudem spaßig empfunden. Nie zuvor habe ich einen so direkten Einblick in die Geschichte bekommen – unglaublich was man dort alles findet! In einigen Akten gibt es unzählige Briefe an ehemalige Rektoren, im ordentlichsten Deutsch geschrieben oder frühere Diplomprüfungsordnungen (aus welchen ich u.a. gelernt habe, dass die Note „befriedigend“ um 1920 „ziemlich gut“ genannt wurde).

Ich bin froh einen so tollen Platz für mein Praktikum gehabt zu haben und es macht mich stolz, einen kleinen Beitrag zum Hochschularchiv geleistet zu haben.

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Kalenderbild Mai: Per Mausklick zur Literatur

Ga1970, S.349-O

Ga1970, S.349-O

Jeder Student der RWTH Aachen sollte mindestens einmal im Laufe seines Studiums in der Universalbibliothek der RWTH Aachen gewesen sein. Bezug zu dieser nimmt unser Kalenderbild aus dem Monat Mai. Auf diesem Bild sind Studenten abgebildet, die im großen Lesesaal im Neubau der Aachener Hochschulbibliothek lernen. Am 10. Oktober 1870 wurde die Bibliothek gegründet. Zu dieser Zeit diente sie bereits als wissenschaftliche Universalbibliothek, denn dort ist Literatur aller an der Hochschule vertretenden Fächer bestell- und ausleihbar.

1966 wurde der Neubau am Templergraben bezogen. Dieser umfasst drei Lesesäle mit 270 Arbeitsplätzen. Der damalige Buchbestand der Bibliothek umfasste 340.000 Bände und 4.100 Zeitschriften mit einem jährlichen Zuwachs von 25.000 Bänden.

Sechs Jahre zuvor erlebte die Hochschulbibliothek mit dem Beginn der Ausbildung von Gewerbelehrern eine folgenschwere Entwicklung. Die Fakultät für Allgemeine Wissenschaften erhielt hierzu Lehrstühle für vier neue Disziplinen: Pädagogik, Soziologie, Psychologie und Politische Wissenschaften. Ebenso kamen Lehraufträge für Katholische und Evangelische Theologie hinzu. Damit sind zu den bereits vorhandenen Fächern Philosophie, Kunstgeschichte und Geographie neben Technik und Naturwissenschaften neue Disziplinen dazugekommen, die an die Literaturversorgung sehr hohe Ansprüche stellten.

Für den Umgang mit diesem Zuwachs war ein gutes System zur Beförderung von Büchern ausschlaggebend. Wie auch heute funktionierte die Ortsausleihe, im Gegensatz zu benachbarten Universitätsbibliotheken, über den Sofortdienst. Die Bestellung ging über die Hochkantförderanlage in das Büchermagazin. Dort wurde das Buch herausgesucht und per Kastenförderanlage in die Ausleihe befördert. Heutzutage ist das System soweit fortgeschritten, dass es nur noch einen Mausklick und einer kurzen Wartezeit bedarf bis man die Literatur in den Händen hält.

Quellen

Gerhart Lohse, Die Bibliothek der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen 1959-1979, Band 1, Aachen 1981.

Hans Martin Klinkenberg, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen 1870|1970, Stuttgart 1970.

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Aus Alt mach Neu

Unbenannt

Quelle: Danny Schiprowski

Wie sieht es eigentlich in einem Gedächtnis aus? Und was genau passiert dort, wenn man sich an etwas Bestimmtes erinnert? Diese Frage bleibt hier zwar im biologischen Sinne unbeantwortet, doch im Metaphorischen kann das „Gedächtnis der RWTH“ hier auftrumpfen.

Im Zuge eines Praktikums startete ich also meinen ersten Tag im Hochschularchiv, bei dem mir zunächst mein Arbeitsplatz gezeigt, die Mitarbeiter vorgestellt und die Räumlichkeiten erläutert wurden. So ein Archiv benötigt neben den standardmäßigen Büroräumen nämlich ganz schön viel Platz, um all seine Dokumente, Fotos, Karten und anderweitige Gerätschaften sicher und geschützt aufzubewahren, sowie diese der Nachwelt nutzbar zu erhalten. Dafür gibt es fünf Magazine, in denen die Archivalien lagern und einen Benutzerraum, in dem die jeweiligen Dokumente eingesehen werden können. Nutzer stellen nämlich neben der fachgerechten Aufbewahrung ebenfalls einen großen Teil der Archivarbeit dar. So passiert es zum Beispiel, dass ein Alumnus Informationen über seine Arbeit an der RWTH wünscht, oder ein Forscher aus einer anderen Stadt mehr über das Wirken oder die Forschung eines ehemaligen Aachener Kollegen erfahren möchte. Diese Anfragen werden meist per E-Mail beantwortet, doch manchmal müssen die Nutzer auch persönlich Akteneinsicht nehmen.

Sobald ich mich also orientiert hatte, konnte die eigentliche Arbeit beginnen. Die verschiedenen Aufgaben, die anfielen, wurden hierbei zunächst von einer Mitarbeiterin erläutert, woraufhin ich selbst die Aufgabe erledigen musste. So lernte ich das Archiv rasch kennen und konnte auch von Anfang an unbekannte Aufgaben übernehmen. Doch trotz der Einweisung des Personals blieben die Arbeiten fordernd. Dies lag zum einen an der schieren Menge an Informationen in den Archivalien, die man verarbeiten und strukturieren muss, zum anderen machte mir deren Form das Leben auch nicht immer leicht.

Da half es, dass durch das Modulsystem für Praktikanten Struktur in das Erlernen der neuartigen Aufgaben kam. So erlernte ich zuerst die grundlegenden Aufgaben der genauen Recherche mit den Findmitteln des Archivs, angemessenen Kontakt mit den Anfragenstellern und Vorgänge der Registratur. Diese Voraussetzungen ermöglichten es Einblick in die Arbeits- und Funktionsweisen des Archives zu nehmen, und schufen die Vorbedingungen, auch Aufgaben zu erfüllen, deren jeweilige erforderlichen Akten einen erstmal vor ein Rätsel stellten.

So benötigt man zwingend grundlegende Kenntnisse des Archivgesetzes, des Informationsfreiheitsgesetzes und des Urheberrechtes um sich der rechtlichen Parameter seiner Arbeit bewusst zu sein und abschätzen zu können, ob bestimmte Auskünfte überhaupt erteilt werden dürfen. Des Weiteren muss man sich in Paläografie, der Lehre alter Schriften auskennen, um alte Akten zu entziffern, die noch in Kurrent- oder Sütterlinschrift geschrieben sind. Das sind jedoch eher Fähigkeiten inhaltlicher Natur, die aber nicht darüber hinwegtäuschen sollten, dass man ebenfalls über Bestandserhaltung Bescheid wissen muss, damit die Archivalien einer langen Aufbewahrungsdauer entsprechend erhalten und gleichzeitig nutzbar bleiben.

Diese Nutzbarmachung ist ein ganz entscheidender Punkt, denn so gesehen ist nämlich die Archivarbeit eine Dienstleistung, die Informationen rund um die RWTH bereitstellt und dabei hilft, eine Überlieferung der Universitätsgeschichte zu gewährleisten. Dabei lernt man natürlich auch die Geschichte der RWTH besser kennen. Außerdem stellte das abwechslungsreiche Arbeitsfeld das flexible Denken immer wieder auf die Probe, wenn beispielsweise hundert Jahre alte Schrifstücke, Plakate oder Ähnliches Social Media gerecht, für Facebook und Co., zur Präsentation aufbereitet werden sollten. Dieses für Archive noch nicht sehr verbreitete Verfahren war für mich als Praktikant ein toller Weg, alle Aspekte der Archivarbeit anzuwenden und gleichzeitig in eine moderne, publikumsnahe Form zu überführen. Es wissen nämlich viel zu wenige Menschen von den tollen Informationsmöglichkeiten eines Archives, die Jedem offen stehen!

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Neues von der „(Lithographischen) Anstalt“

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Signatur: Akte 932

Auf unserem aktuellen Kalenderbild ist ein detailreicher Briefkopf zu sehen, der zeigt, dass Geschichte selbst an simplen Dingen spürbar werden kann. Viel mehr als es heute der Fall ist, waren Briefköpfe ein wichtiges Aushängeschild für Firmen.

Die „La Ruell’sche Accidenzrduckerei und lith. Anstalt“, die den zugehörigen Brief 1907 an die Königliche Technische Hochschule (RWTH) schrieb, geht auf Joseph La Ruelle (*31. März 1822; +8. August 1900) zurück. Inhaltlich bezieht sich der Brief auf einen Druckauftrag der Hochschule für Personalverzeichnisse, indem die Druckerei über gestiegene Kosten informiert. La Ruelle veröffentlichte unter anderem 1871 den „Aachener Anzeiger“ zum ersten Mal, welcher täglich unabhängig von Politik und Konfession erschien und daher eine breite Masse an Lesern erreichte. Er gilt daher als Schöpfer des Typs des Generalanzeigers in Deutschland. Er verlegte außerdem das „Politische Tagesblatt“, welches zwei Mal täglich erschien und ab 1881 einen wöchentlichen Generalanzeiger für die Kreise Monschau, Eupen, Jülich, Düren, Schleiden, Geilenkirchen, Heinsberg, Erkelenz und den Landkreis Aachen.

La Ruelles Akzidenzdruckerei fertigte seine Zeitungen selbst an und war eine Zeit lang führend im Umkreis. So war sie auch die erste Druckerei in Aachen mit einer Rotationsmaschine. Gelegenheitsdrucke wie etwa Prospekte, Einladungen oder Briefe waren eine gute zusätzliche Einnahmequelle. Genau deswegen war der Briefkopf auch so ein wichtiges Werbemittel. Die Druckerei hatte hier die Möglichkeit, etwas von ihrer Arbeit zu zeigen. Auf einem Bild kann man ihren damaligen Standort (Johanniterstraße, in der Nähe des heutigen Karlsgrabens) und zugleich die angebotenen Leistungen sehen. Inhaber war zur Entstehungszeit des Bildes La Ruelles Schwiegersohn Joseph Deterre, der bereits einige Jahre vor La Ruelles Tod die Geschäfte übernahm.

Die lebendige Gestaltung der Schrift, die Arbeit mit verschiedenen Schriftarten und die fein ausgearbeiteten Details machen diesen Briefkopf zu etwas Besonderem. Was damals als zweckmäßige Werbung gedient haben mag, lässt sich heute wie ein Kunstwerk betrachten.

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Kalenderbild März: Lesen will gelernt sein

Naturgemäß finden sich in einem Archiv auch immer wieder alte Akten, mit denen man nicht immer sofort etwas anzufangen weiß, so auch das Kalenderbild des Monats März (Sig. 840). Ein solches Dokument sieht durch die unbekannte Schrift zunächst einmal ungewohnt aus und macht es auf den ersten Blick für uns heutzutage vermeintlich nicht zu entziffern. Durch die besonderen Schwünge und Ausprägungen der Buchstaben entsteht sogar ein eleganter Eindruck, der nicht wirklich zu den eher massiv anmutenden Formen der gebrochenen (Stempel-) Schrift passt. Um herauszufinden, was sich hinter dem Dokument eigentlich verbirgt, benötigt man Kenntnisse in Paläographie, also in der Lehre alter Schriften. Hierbei entziffert man die Wörter Stück für Stück und orientiert sich an bekannten Formen. Eine mühsame aber unerlässliche Fähigkeit, möchte man mit Quellen arbeiten.

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Die hier verwendete Kurrentschrift legt nach ihrer Transkription folgenden Inhalt dar:

 

Der Minister der geistlichen Unterrichts und Medizinal-Angelegenheiten

Berlin 10.64., den 18. August 1909

 

Nach dem daß Gesetz, betreffend die Bereitstellung von Mitteln zur Diensteinkommenßverbesserung für die unmittelbaren Staatßbeamten, zur Außführung gelangt ist, sind die Mehraußgaben zu ermitteln, welche darnach in dem nächstjährigen Staatl. Haushaltßetat einzustellen sind. Zu dem Ende sind die nach Maßgabe deß Runderlasseß vom 11. Steptember 1892-H III 2537 einzureichenden Nachweisungen über den Stand der Besoldungen am 1. Oktober 1909 auf den Mehrbedarf zu erstrecken, welcher infolge der neuen Besoldungßordnung bei dem Wohnungßgeldzuschüssen und bei den Bezügen der Diätarisch beschäftigten Beamten entstehen.

Die Nachweisungen sind dementsprechend nach der für den dießjährigen Oktobertermin anderweit vorgeschriebenen, in drei Exemplaren beigefügten Vordrucken baldigst auszustellen und für dieseß Jahr biß zum 15. September einzureichen. Indem ich noch bemerke, daß die Nachweisungen selbstredend auf die am 1. Oktober d. Jß. Fällig werdenden Gehaltß u.s.w. Zulagen zu berücksichtigen haben, mache ich den nachgeordneten Behörden die pünktliche Innehaltung deß gestellten Terminß noch besonders zur Pflicht.

Gesehen.

Aachen den 23. August 1909

Der Regierungspräsident.

An die nachgeordneten Behörden

An den Herren Rektor der Königlichen Technischen Hochschule in Aachen

 

Es handelt sich also um ein Dokument, in dem die Modalitäten eines geänderten Einkommens für Staatsbeamte und die damit verbundenen Etatänderungen thematisiert werden. So war es möglich durch paläographische Kenntnisse und ein wenig Übung ein zunächst scheinbar völlig unleserliches Dokument zu entziffern. Nach dieser beinahe detektivischen Arbeit ernüchtert der eher profane Inhalt des Dokuments unter Umständen. Doch wer weiß, was sich hinter der nächsten „unleserlichen“ Seite versteckt.

 

Anmerkung: Das in diesem Dokument vorkommende sogenannte „runde S“ gibt es heutzutage in dieser Form nicht mehr, daher wurde es in der Transkription durch ein ß ersetzt.

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Kalenderbild Februar: Von Düsenflugzeugen in Bahnhöfen und anderen Kuriositäten

9.4.5.w_CremerReutterDass selbst alte Bilder auch heute noch aktuell sind, zeigt das Kalenderbild des Monats Februar durch  das lebhafte Duo der beiden Professoren Fritz Reutter und Hubert Cremer. So ist deren Vita und ihr Wirken an der RWTH bis heute spürbar, wie zum Beispiel am Rechen- und Informationszentrum, an dessen Planung und Arbeit sie maßgeblich beteiligt waren.

Doch fangen wir einmal ein wenig früher an: Hubert Cremer war lange Jahre Professor für Mathematik am Lehrstuhl und Institut für Mathematik und Großrechneranlagen, dessen Direktor er auch schließlich am 5.9.1960 wurde. Des Weiteren war er von 1961 bis 1965 auch Leiter des Rechenzentrums und beschäftigte sich somit mit der (elektronischen) Datenverarbeitung. Seine Vorlesungen über elektronische Rechenanlagen und die damit verbundenen Kolloquien und natürlich sein Wirken außerhalb dieser Veranstaltungen sorgte in den Kreisen der Industrie und der Verwaltung für die Erkenntnis, dass die elektronische Datenverarbeitung in Zukunft in enormem Maße an Bedeutung gewinnen würde. Hubert Cremer war jedoch kein trockener Akademiker, sondern lebte auch seine kreative Seite aus, indem er Gedichte wie das folgende Verfasste:

Der Lichtblitzzug

Da mir die Erde nicht genug,

fahr ich mit Einsteins Lichtblitzzug.

Der Einstein ist der Kondukteur,

das gibt doch sicher ein Malheur.

Daß ich mich zeitlich orientir,

trag ich die Lichtuhr stets bei mir;

die Bahndammuhren gehen nicht gleich;

das ist fast wie Österreich.

Und 10 hoch 50 Meter mißt des Zuges Länge, daß Ihr’s wißt;

Er führt die Klassen 1,2,3,;

Ein Postabteil ist auch dabei.

Auch ein Speisewagen führt

Der Lichtzug mit, wie sich’s gebührt;

Doch immer komm ich hin, oh Schreck,

denn er ist 1000 Meilen weg.

In meinem Abteil fährt ganz keß

Ein Kind, behauptend folgendes:

Es führ zum Zwillingsbruder, der

Ein Großpapa und Greis schon wär.

Das All durchsausen, welch Genuß!

Ach das war Bahnhof Sirius.

Wo nimmt der Zug die Energie?

Sein Motor heißet Phantasie!

(Cremer, Hubert (1982): Carmina Mathematica. J.A. Mayer: Aachen. S.57)

Passend zu dieser Materie äußerte Cremer zu dem Architekten des neu entstehenden Rechenzentrums in den 1960er Jahren: “Sie müssen sich vorstellen, daß Sie einen Bahnhof für die erste Eisenbahn zu bauen hätten, von dem in absehbarer Zeit auch Düsenflugzeuge starten müssen” (RWTH Aachen (1967): Alma Mater Aquensis. Berichte aus dem Leben der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Essen, S.43)

Ebendiese visionäre Haltung in Bezug auf das neue Feld der Informationstechnologie prägte sein Handeln und sein Engagement an der RWTH und führte zu der Zusammenarbeit mit Fritz Reutter. Reutter, seines Zeichen Inhaber des Lehrstuhls für Geometrie und praktische Mathematik, wurde sein Nachfolger und Leiter des Rechenzentrums und wirkte auf dessen Bau und Förderung hin. Wie Cremer setzte sich auch Reutter für den Ausbau der Rechen- und Informationstechnologie an der RWTH ein und gestaltete als Vorsitzender des vorbereitenden Ausschusses für das Studium der Informatik den neu enstehenden Studiengang der Informatik wesentlich mit. Dieses Engagement beider Herren prägte die RWTH nachhaltig und war vermutlich durch ihren kreativen Geist bedingt, der sie schon früh erkennen ließ, wie zukunftsträchtig „ihre“ Technologie seien würde. Dies führte dazu, dass Reutter zum Ehrensenator der RWTH ernannt (eine bedeutsame Würde der Universität), und Cremer durch die Ehrenplakette der Hochschule in Gold geehrt wurde.

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Neue Aufbewahrungsfristen – schon mitbekommen?

Am 07.11.2016 gab es eine Änderung in der Richtlinie zur Aufbewahrung, Aussonderung, Archivierung und Vernichtung von Akten und Unterlagen der RWTH Aachen. Genauere Informationen finden Sie unter folgendem Link. Wenn Sie als anbietungspflichtige Institution eine Abgabe tätigen möchten/müssen, downloaden Sie bitte folgendes Dokument: Formular für Abgaben

Schicken Sie dies bitte vollständig ausgefüllt an unsere E-Mail Adresse. Bitte sondern Sie keine Dokumente im eigenen Ermessen aus. Bei Fragen können Sie sich gerne telefonisch oder per Mail an uns wenden.

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Hochschularchiv der RWTH Aachen
Theaterplatz 14
52062 Aachen
 
E-Mail: archiv@rwth-aachen.de
Tel.: 0241 / 80 – 26386
Fax.: 0241 / 80 – 22357
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Belegexemplar: „Wirtschaft.Wissen.Schaffen.“

Paul Thomes, Robert Peters, Tobias Dewes:
Wirtschaft.Wissen.Schaffen.
30 Jahren Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
1986-2016
Aachen, 2016.
 
 

Das vorliegende Belegexemplar wurde uns von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zugesandt, welche im vergangenen Jahr ihr dreißigjähriges Jubiläum feierte. Zunächst mag das abwegig klingen – erst so kurz besteht eine wirtschaftswissenschaftliche Fakultät an der RWTH Aachen? Wirtschaftswissenschaften an sich gibt es in Aachen zwar schon seit Gründung der Hochschule, doch wurde eine Fakultät für Wirtschaftswissenschaften erst im Februar 1986 konstituiert. Für die ungefähr 7000 Studenten sind 489 Personen der Fakultät 8 und den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten zuständig, von denen 221 als Studentische Hilfskräfte angestellt sind. In der Schrift stellt die Fakultät ihre „vier Gesichter“ vor: Leben, Lehren, Lernen und Forschen. Nach der Gründung der Philosophischen Fakultät im Jahr 1965, der die Wirtschaftswissenschaft untergeordnet war, bestanden bereits seit 1971 Pläne zur Gründung einer Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Wie aus dem Protokoll der Konstituierungssitzung zu entnehmen ist (Sig. BN 5_13.05.1986), fand schließlich am 07. Februar 1986 mit der Gründung dieser Fakultät statt. Erster Dekan wurde Prof. Dr. Vormbaum und Prodekan Prof. Dr. Hirsch.

Für den Rückblick stellte das Hochschularchiv verschiedene Dokumente zur Verfügung. Hierbei handelt es sich zum einen um Übersichten von Studienangeboten und Ausschnitten aus Vorlesungsverzeichnissen. Auf der anderen Seite wurden Bilder der zuständigen Dozenten und Professoren bei ihren Sitzungen ausgewählt.

Konstituierung Wiwi

Zur weiterführenden Lektüre empfehlen wir die Präsentation zum 50-jährigen Jubiläum der Philosophischen Fakultät.

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Kalenderbild Januar: Eine kurze Geschichte des Audimax – Von Karl (Schlüter) zu C.A.R.L.

Das Kalenderbild dieses Monats zeigt das Audimax der RWTH bei Nacht und erreichte uns mit der Datierung „1953/54“. Ein Blick in die Geschichte des Audimax verrät, dass das Gebäude erst 1954 errichtet wurde; da man außerdem schneebedeckte Autos erkennen kann, liegt der Schluss nahe, dass das Foto zum Ende des Jahres 1954 entstanden sein muss.

Schwarz-Weiß-Foto vom Audimax bei Nacht

Das Audimax bei Nacht, vermutlich im Winter 1954 (Sig.: 2.1.2.a)

Das Audimax wurde im Zuge des Wiederaufbaus und der Vergrößerung der Hochschule nach dem Zweiten Weltkrieg unter Leitung des Architekten Karl Schlüter errichtet. Schlüter, der an der RWTH Architektur studierte und später beim Staatshochbauamt Aachen den Bauvorhaben für die RWTH vorstand, war eine prägende Figur im Bild der Hochschule und zeichnet für mindestens 20 Neubauten und 12 Um- und Erweiterungsbauten verantwortlich, wobei das Audimax naturgemäß eines der größten Projekte darstellte. Erste Planungen für ein neues großes Hörsaalgebäude begannen bereits im Jahr 1950 und unterliefen zahlreichen Veränderungen bis das Audimax 1954 in seiner heutigen Form fertiggestellt wurde. Das Gebäude beherbergt drei Hörsäle: den für ca. 1000 Studierende ausgelegten „großen“ Hörsaal und die, nach der Farbe ihrer Bestuhlung benannten, „roten“ und „grünen“ Hörsäle mit je knapp 500 Sitzplätzen. Zusätzlich gibt es Garderoben, zahlreiche weitere kleinere Räume mit wechselnder Funktion, Lernplätze für Studierende und mehr. Der damals 4,5 Millionen DM teure Neubau erforderte Innovationen in der verwendeten Klima-, Beleuchtungs- und Projektionstechnik und resultierte in einem architektonisch einzigartigen Gebäude, das heute als ortsfestes Denkmal gemäß §3 DSchG NRW geschützt ist. Der große Hörsaal des Audimax bleibt bis heute der größte Hörsaal der RWTH und wird neben seiner unabdinglichen Rolle als Ort der meistbesuchten Vorlesungen regelmäßig für Vorträge, Lesungen, Kabarett, Theater und weitere Veranstaltungen genutzt. Nichtsdestotrotz haben der Zahn der Zeit und unzählige Nutzer_innen ihre Spuren hinterlassen und das Gebäude ist dringend sanierungsbedürftig. Pläne für eine Sanierung bekundet der BLB schon seit 2010, aufgrund des akuten Hörsaalmangels müssen diese allerdings ruhen bis durch die Eröffnung des neuen Hörsaalzentrums „C.A.R.L.“ Ersatz für das Audimax geschaffen wird (Pressemitteilung der RWTH, Wikipedia-Artikel zum CARL). Der neue Hörsaalkomplex wird die zentrale Rolle des Audimax übernehmen und soll, nach mehrfacher Verschiebung des Termins, zum Sommersemester 2017 in Betrieb genommen werden (der Probebetrieb läuft bereits). Das Audimax wird damit entlastet und in seiner Rolle als größtes Hörsaalgebäude abgelöst – seinen Platz in der Geschichte der RWTH hat es aber jetzt schon sicher.

Mehr Informationen:

  • Zu Bau und Architektur des Audimax: Jahrbuch der RWTH Aachen (1955-56), S. 143-146, 161-163.
  • Zu Karl Schlüter: Alma Mater Aquensis (Band II 1964), S. 71-74.
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