Wer kennt die Weltfirma Krupp nicht? Am 18. Mai 1961 wurde schon dem zweiten Mitglied der Krupp-Familie, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, die Ehrendoktorwürde durch Rektor Winterhager und den Senat verliehen. 60 Jahre nach der Ehrendoktorverleihung seines Großvaters Friedrich Krupp wurde Krupp von Bohlen und Halbach „in Anerkennung seiner Leistungen beim Wiederaufbau der Krupp-Werke und Forschungsstätten sowie in Würdigung seines Einsatzes für die Entwicklung neuartiger maschineller Anlagen, die das Ansehen des deutschen Maschinenbaus in der Welt gefördert haben“ in das auf dem Foto zu sehende Hauptgebäude der RWTH eingeladen. Jeder von Rang und Namen in den Bereichen der Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft durfte der Verleihung und der anschließenden Feier im Kurhotel Quellenhof beiwohnen. So sind auch die glänzenden Wagen mit Essener Kennzeichen auf dem Foto nicht verwunderlich, denn der Essener Oberbürgermeister Nieswand war nur einer der hohen Ehrengäste des öffentlichen Lebens.
Was bei den Festlichkeiten und den Laudationes über das beispiellose Tempo des Wiederaufbaus der Krupp-Werke und der Auflistung der technischen Errungenschaften Krupps -angefangen bei der ersten chemischen Großanlage aus Titan bis hin zum Bau eines Stahlwerkes in Indien- untergeht, ist Krupps NS-Vergangenheit. Schon 1937 wurde Krupp von Adolf Hitler zum Wehrwirtschaftsführer ernannt, ein Jahr später wurde er Leiter der Rüstungsabteilung und Mitglied der NSDAP. Der erhöhte Rüstungsbedarf nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verschaffte der Firma hohen Profit. Des Weiteren beschäftigte Krupp als alleiniger Inhaber der Firma ab 1943 tausende Zwangsarbeiter, später auch Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge.
1948 gab es ein gesondertes Verfahren im Rahmen der Nürnberger Prozesse, Krupp wurde zu zwölf Jahren Haft und Einziehung seines Vermögens wegen Einsatz von Zwangsarbeitern und Plünderung von Wirtschaftsgütern im besetzten Ausland verurteilt. 1951 erhielt er Amnestie und erlangte zwei Jahre später sein Vermögen unter mehreren Bestimmungen (siehe Mehlemer Vertrag). Es dauerte nicht lange und die Firma wird wieder der führende Stahlproduzent in Europa.
Nun aber wieder zurück zur RWTH: Angesichts dieses Wissens zu Krupps NS-Vergangenheit sieht man die Ehrendoktorverleihung, insbesondere die Laudationes, mit anderen Augen. Rektor Winterhager präsentiert Krupp von Bohlen und Halbach als Opfer von Vergeltungswillen und Willkür und umgeht Krupps NS-Vergangenheit größtmöglich. Dies ist keine große Überraschung, da Winterhager selbst ehemaliger Truppenführer der SA, NSDAP-Mitglied und Experte bei kriegsrelevanten Forschungsaufträgen für die Luftwaffe war.
Aus wissenschaftlicher und technischer Sicht mag Krupp von Bohlen und Halbach besondere Leistungen vollbracht haben, dies verhindert aber nicht, dass die Ehrendoktorverleihung einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.
Quellen: Fotosammlung 3.1.30_c Akte 999b
https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/96006968 https://media.essen.de/media/histiorisches_portal/historischesportal_dokumente/friedhoefe/friedhofsfuehrer_1/Krupp_von_Bohlen_und_Halbach_Alfried.pdf https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Winterhager https://de.wikipedia.org/wiki/Alfried_Krupp_von_Bohlen_und_Halbach#Verm%C3%A4chtnis
(Alle Links zuletzt aufgerufen am: 06.12.2019)