Kalenderbild November 2021: Studentenverbindungen unter dem Druck des Nationalsozialismus – Karikaturen aus dem Album der „Pomerania“

Karikaturen im Pomerania Album, 1933/1934 Quelle: Pomerania Fotoalbum 7.1.39-41

Das Kalenderbild des Monats November zeigt eine Auswahl an Karikaturen aus dem Fotoalbum der Studentenverbindung „Pomerania“ in Aachen. Entstanden sind diese in den Jahren 1933/34. Das Album enthält eine Reihe an Fotos, Flugblättern und Karikaturen dieser Verbindung und wurde von unserem Archivar Herr Dr. Klaus Graf für das Hochschularchiv erstanden.

Ursprünglicher Besitzer des Albums war Kurt Grünwald, geboren am 03.10.1909 in Essen. Er studierte Ingenieurwissenschaften an der RWTH Aachen ab 1929 und trat im selben Jahr in die Studentenverbindung ein. In seinem Album sammelte Grünwald Erinnerungen an Aktivitäten und Feste der „Pomerania“ in Form von Fotografien. Es sind aber auch einige Karikaturen zu finden, welche einen Einblick in die Gefühlswelt und das Alltagsleben der Landsmannschaft geben. Ob Grünwald diese Karikaturen selbst zeichnete oder diese von anderen Personen erhielt, ist leider nicht bekannt.

Im Jahre 1939 kehrte Kurt Grünwald mit einem abgeschlossenen Studium und dem Titel „Diplomingenieur“ in seine Heimatstadt Essen zurück. Er verstarb am 09.06.1976 in Melle (Niedersachsen).

Die offizielle Gründung der Landsmannschaft Pomerania fand am 09. November 1792 statt. Studenten aus Pommern, welche an der Universität Halle an der Saale studierten, schlossen sich zu dieser Verbindung zusammen. Daher leitete sich auch der Name „Pomerania“ ab. Einige Unterlagen belegen jedoch, dass ihre Wurzeln bis in das Jahr 1717 zurückreichen. Damit ist sie eine der ältesten Studentenverbindungen Deutschlands. Die Farben der „Pomerania“ sind Blau und Weiß, wie die pommerschen Landesfarben. Mitglieder tragen himmelblaue Mützen. Füxe, so werden eventuelle Anwärter auf einen Platz in der Verbindung genannt, tragen zusätzlich ein sogenanntes Fuchsenband in den Farben blau-weiß.

Die „Pomerania“ in Aachen wurde eigenständig im Jahre 1920 am Polytechnikum in Wismar als „Freie Verbindung Pomerania“ gegründet. Im Jahre 1922 siedelte sie dann nach Aachen um und nannte sich „Freie akademische Verbindung Pomerania“. Am 02.03.1924 wurden sie dann in eine Landsmannschaft umgewandelt und damit in die DL (Deutsche Landsmannschaft) aufgenommen.

Durch den Druck des Nationalsozialismus mussten sich die meisten Studentenverbindungen auflösen. So auch die „Pomerania“ in Halle (1936) und in Aachen (1935). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstand die Verbindung in Aachen im Mai 1952 aufs Neue. Durch die Teilung Deutschlands und die Entstehung der DDR besaß die Universität in Halle jedoch keine Möglichkeiten für eine Neugründung. Daher entschloss man sich zu einer Fusionierung der beiden Studentenverbindungen, sodass am 18.11.1952 der Verschmelzungsvertrag unterzeichnet wurde. Bis heute existiert die Verbindung unter dem Namen „Landsmannschaft im CC der Pomerania Halle-Aachen“.

Weitere Informationen über die Geschichte der „Pomerania“ in Halle und Aachen finden sie in unserem Beitrag zum Kalenderbild des Monats Januar 2021.

Die Karikaturen entstanden während der Zeit, in der Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, und die NSDAP die Reichtagswahl im März 1933 gewann. Die Partei war schon sehr früh bemüht, studentische und akademische Mitglieder zu gewinnen. So gründete sie bereits 1926 den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB), welcher eine neue Organisationsform der Studenten in „Kameradschaften“ anstrebte. Diese sollte die Studentenverbindungen ersetzen.

Schnell wurde klar, dass auch Studentenverbindungen nicht von der Gleichschaltung ausgeschlossen waren. Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, erlassen am 07.04.1933, durften die Nationalsozialisten politische Gegner oder jüdische Beamte ohne Grund aus dem Dienst entlassen oder in den Ruhestand versetzen. Dieses Gesetz wurde auch auf die Studentenverbindungen angewandt. So mussten von nun an die Abstammungsverhältnisse aller Mitglieder der Verbindungen geklärt werden und alle Juden, Halbjuden, Vierteljuden und mit Juden verheiratete Mitglieder ausgeschlossen werden.

Viele versuchten mit Ausnahmeregelungen oder Anträgen einen Ausschluss zu umgehen, aber die meisten Mitglieder traten freiwillig aus, um ihren Verbindungen keinen Schaden zuzufügen.

Es gab allerdings auch Studentenverbindungen, die sich weigerten, die Maßnahmen umzusetzen. Zu ihnen zählten insbesondere die Mitglieder der Convente, denen auch die „Pomerania“ angehören. Wie bereits erwähnt, konnten die Verbindungen jedoch nichts gegen die Übermacht der Nationalsozialisten tun. Und so blieb ihnen nichts anderes übrig als die Suspension (Freiwillige Einstellung des aktiven Betriebs).

Diese Karikaturen spiegeln genau diese Spannungen an den Universitäten und in den Studentenverbindungen wieder. Alle Zeichnungen wirken sehr ernst und dunkel. Keine Spur von den Festen und den guten Zeiten, die eine Mitgliedschaft in einer Verbindung einst versprach. Stattdessen erblickt man nur seriöse und traurige Motive. Wie etwa einen kleinen Mann, der die Beine eines anderen umarmt und dabei am Kopf gestreichelt wird. Oder einen Kopf, in den eine Art Bohrmaschine etwas einzupflanzen scheint. Könnten dies Andeutungen auf die Gehirnwäschen und die Unterlegenheit gegenüber der Nationalsozialisten gewesen sein?

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