Unser Hochschularchiv ist, wie jede kleine Abteilung der RWTH, ein bunter Haufen voller Hiwis, Ehrenämtlern und Praktikanten. Der Weg in das Hochschularchiv verläuft für unsere Mitarbeiter nicht immer besonders gradlinig. Wieso jeder Einzelne in Aachen ist, was derjenige so eigentlich sonst so macht und wie das Leben bei ihm bisher so verlaufen ist – dass interessiert uns doch immer, wenn man auf neue Menschen trifft. Auch ich muss zugeben, dass es mir nicht anders ergangen ist, als ich vor einigen Monaten das erste Mal unsere neue Mitarbeiterin, Janine Holzum, getroffen habe. Besonders spannend fand ich dabei, dass Sie, anders als wir alteingesessenen Hiwis, nicht ihren Bachelor in Geschichte, Politik oder Theologie gemacht hat, sondern in dem Fachbereich Informationswissenschaften: Archiv. Janine und ich haben deswegen ein kleines Interview geführt, um zu skizzieren, wie „die Neue“ denn so ihren Weg zu uns gefunden hat – und wieso das auch gut so ist!
Frage (Sarah): Du bist also Archivarin…. soso. Wie bist du denn auf die Idee gekommen Archivarin zu werden? Kann man das eigentlich studieren? Kann man damit überhaupt Geld verdienen? Findet man damit überhaupt einen Job?
Antwort (Janine): Tatsächlich wollte ich gar nicht Archivarin werden (lach). Nachdem ich als Kind lesen gelernt hatte, wollte ich immer Bibliothekarin werden. Leider war im Kreis Viersen und Umgebung, meinem Einzugsbereich, keine einzige Stelle zu finden. Eines Tages kam ein Anruf von Herrn Friebel (damals Zuständiger für die Auszubildenden vom Kreis Viersen) ob ich nicht eine Ausbildung im Archivwesen machen möchte, da die Ausbildung in der Bibliothek und im Archiv simultan sei. (Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, was ich ziemlich schnell während meiner Ausbildung herausfand.) So jedenfalls sah mein Einstieg in die Archivwelt aus. Beim Kreis Viersen habe ich dann in 2,5 Jahren Ausbildungszeit meinen Abschluss als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste (FaMI) mit Fachrichtung Archiv absolviert. Die Entscheidung für das Archivstudium in Potsdam war mein persönliches Bekenntnis für den Beruf des Archivars. Nach den rund 8 Jahren Archivpraxis hat man die Arbeit mit all Ihren Facetten gern gewonnen. Aber die wirklich spannenden Bereiche bleiben einem als FAMI einfach verwehrt. Also war für mich der logische Weg auf meine Ausbildung aufbauend das Archivars- Studium abzuschließen.
In diesem Moment müssen Janine und ich herzlich lachen. Diese Fragen kennt wohl jeder, der sich nach seinem Abitur dazu entschlossen hat eine gesellschaftswissenschaftliche Richtung einzuschlagen. Es fühlt sich befremdlich für mich an tatsächlich mal am anderen Ende des Tisches zu sitzen und ihr dieselben quälenden Fragen zu stellen, welche ich selbst so sehr hasse. Doch zum Glück nimmt Janine es mit Humor. Sie weiß wie es gemeint ist und so beginne ich mir alles zu notieren.
Frage (Sarah): Puh nach acht Jahren Archivpraxis muss man sich ja wirklich sicher sein! Aber dann hast du nicht einfach so studiert wie wir anderen nicht wahr? Für dich gab es keine Erstiwoche, Studentenpartys und Vollversammlungen oder? Bei dir war das alles ein wenig anders.
Antwort (Janine): Mein Studium war in erster Instanz eine Fortbildung von 26 Modulen, an der ich im Rahmen einer Fernweiterbildung an der Fachhochschule Potsdam teilgenommen habe. Die Inhalte der Fernweiterbildung stimmen mit denen im Direktstudium so ziemlich überein. Daher kann man sich die Leistungen im Anschluss anerkennen lassen. Das bedeutet, dass eine Kommission alle wesentlichen Aspekte prüft und dann entscheidet, ob man ins 7. Semester des Direktstudiums eingestuft werden kann. In diesem Semester habe ich dann meine Bachelorarbeit geschrieben und meinen Titel Bachelor of Arts, des Bachelorstudiengangs Archiv erworben. In meiner Lebenssituation als arbeitende Mutter war dies die einzige Möglichkeit die Archivwissenschaften zu studieren. Ein Präsenzstudium in Potsdam oder Marburg wäre für mich nie in Frage gekommen. Neben dem umfang- und abwechslungsreichen Input hat mir besonders gefallen, dass ich in einem gewissen Rahmen selbstständig über die Organisierung und Strukturierung meiner Lernphasen entscheiden konnte. Bis auf die fixen Klausur- und Hausaufgabentermine waren wir, meine Kommilitonen und ich, angehalten selbstständig zu denken und zu arbeiten. Neben den zur Verfügung gestellten Informationen auf der Lernplattform Moodle, musste immer noch eine Menge Recherchearbeit betrieben werden. Das habe ich wirklich gerne gemacht. Mein Steckenpferd waren alle IT betreffenden Inhalte – Also XML, HTML, Webtechnologien, Datenbanken usw. Kritisch fand ich teilweise die Problematik keine oder erst verspätete Rückmeldungen von Professoren auf meine Fragen zu erhalten.
Frage (Sarah): Du hast also viel reingesteckt und viele kleinere und größere Opfer gebracht um Archivarin zu werden. Aber siehst du die Arbeit als Archivarin eher als Beruf oder als Berufung an? Und hat sich dies im Laufe der Zeit geändert?
Antwort (Janine): Am Anfang musste ich einfach einen Job haben. Als junger Mensch macht man sich neben den Arbeitsbedingungen, Gehalts- und Aufstiegsmöglichkeiten nicht wirklich Gedanken über ethische oder gesellschaftliche Aspekte eines Ausbildungsberufs. Ich glaube schon, dass man eine gewisse Neigung haben und gewisse Tugenden mitbringen muss – trotzdem, das volle Bewusstsein, über die Verantwortung in diesem Beruf, hat sich erst mit der Erfahrung, also mit der Arbeit selbst und mit einer gewissen persönlichen Reife eingestellt. Wenn man älter wird nimmt man sich selber nicht mehr so wichtig und bekommt eher einen Blick für die Zukunft – Eine Zukunft, in der die heutigen Archivare nicht mehr da sein werden – im Gegensatz zu unseren wertvollen Dokumenten – sofern wir heute unsere Arbeit gut gemacht haben. Deswegen kann ich ehrlich sagen, dass der Beruf heute zu einer Berufung geworden ist.
Frage (Sarah): Schön das wir eine Berufungsarchivarin zu uns ans Land gezogen haben und nicht nur jemanden, der nur mit halben Herzen dabei ist (lach). Doch wie bist du eigentlich an das Hochschularchiv der RWTH Aachen gekommen? Denn hier in Aachen kann man ja gar nicht Archivwesen studieren?
Antwort (Janine): Da ich nach meinem Studium keine passende Stelle als Archivarin bekommen habe, studiere ich derzeit in meinem Erziehungsurlaub an der RWTH Aachen Lehramt Sek. II Biologie und Informatik. Als Studentin dieser Institution habe ich die Möglichkeit, als studentische Hilfskraft im Hochschularchiv als Archivarin zu arbeiten. Glücklicherweise hat mir das Archiv nach meiner Initiativbewerbung eine Stelle angeboten. Das gibt mir die Chance, in eine für mich neue Archivsparte hineinzuschnuppern und Berufspraxis als Archivarin zu sammeln.
Frage (Sarah): Und was erhoffst du dir konkret bei der Arbeit im Hochschularchiv? Was ist vielleicht anders als bei deiner Arbeit davor? Was gefällt dir hier besonders gut?
Antwort (Janine): Für mich ist das ein besonderer Gewinn, da es mir nochmal eine ganz neue Perspektive auf die Zusammenarbeit mit Fachfremden (Studenten) gegeben hat. Ich habe festgestellt, dass die Kollegen sehr motiviert und innovativ an die an sie gestellten Aufgaben herangehen. Besonders die Tatsache, dass sie nicht aus der Fachwelt kommen, bewirkt, dass ich eine Menge von Ihnen lernen kann.
Im Hochschularchiv bekomme ich die Möglichkeit, das im Studium erworbene Fachwissen zu erproben und anzuwenden. Es fühlt sich gut an, neben dem Lernen auch einer praktischen und sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Das Hochschularchiv ist besonders stark im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit unterwegs: Bilderfreitag, Kalenderbild, das Zuarbeiten bei Ausstellungen und diverse Projekte usw. Dazu werden die neuen Medien (Facebook, Instagram) intensiv eingesetzt. Das gefällt mir besonders gut. Daneben ist das Aufgabenfeld sehr breit: Benutzerbetreuung, Bestände- und Magazinpflege, Verzeichnungsarbeit und der beratende Kontakt mit den abliefernden Stellen der RWTH Aachen.
Frage (Sarah): Und gibt es eigentlich eine „Lieblingsaufgabe“ die du als Archivarin bzw. hier hast? Und wenn ja welche?
Antwort (Janine): Meine Lieblingsaufgabe ist es Mädchen für alles zu sein 🙂
es gibt eigentlich auch nichts, dass ich nicht gerne mache. Ich transkribiere gerne; ich mag den Kontakt mit Menschen (Zusammenarbeit mit dem Archivträger, Beratung von Benutzern); ich arbeite gerne mit dem PC (auch die Suche nach Systemfehlern macht mir Spaß). Die Ideenfindung des Bilderfreitags läuft manchmal schleppend an, aber hinterher ist man immer stolz auf seinen kleinen Artikel; die Verzeichnung und Digitalisierung von unterschiedlichen Archivalien-Gattungen ist aufgrund des Eigen-Charakters schon total abwechslungsreich. Mein innerer Drang nach Ordnung wird bei dieser Arbeit dank Tektonik und Systematik voll befriedigt (lach). Besonders spannend und verantwortungsvoll ist sicherlich auch das Bewerten. All diese Tätigkeiten werden durch das Ausheben und Reponieren von Archivgut und durch außerordentliche Tätigkeiten wie das Rücken von Unterlagen im Zwischenarchiv (= das Schließen, der durch Kassation entstandenen Bestands-Lücken innerhalb einer Regalanlagen) und der Restauration von belasteten Archivalien nochmals körperlich aufgelockert. Also lange Rede kurzer Sinn: Ich mag diese Abwechslung und ich liebe die Öffentlichkeitsarbeit.
Frage (Sarah): Soweit so gut, den Lebenslauf haben wir also schon mal gut gemeistert.
Hierbei lachen wir beide, denn es ist ungewohnt so miteinander zu sprechen, wo man im Hochschularchiv doch einander schon per du ist und Späße miteinander treibt.
Kommen wir nun zu der spannenden Frage, wie Du die Aufgabe eines Archivars einem Laien in kurzen Sätzen erklären würdest?
Antwort (Janine): Die Aufgabe eines Archivs ist es in Zuständigkeit des Auftraggebers (=Träger), für einen entsprechend abgegrenzten Bereich Informationen zu beschaffen, zu erhalten, zu erschließen und bereitzustellen. In der Archivwelt definiert der Satz „Das Gedächtnis der Gesellschaft“ ein Archiv gut.
Verwaltungen müssen als Nachweis ihrer Tätigkeit transparent arbeiten. Auch das wird durch die Bestände der Kreis-, Stadt- und Landesarchive gewährleistet.
Und nicht zuletzt ist das Archiv Dienstleister der Bevölkerung für die Bereitstellung von beweiskräftigen Originaldokumenten und sonstigen Informationen. Als Beispiel führe ich gerne den Präzedenzfall meiner Freundin an. Sie benötigte dringend Unterlagen zu ihrem Haus, um beweisen zu können, dass dieses vor langer Zeit rechtens erbaut worden ist. Andernfalls hätte der Abriss auf eigene Kosten gedroht. Fündig wurde Sie damals im Landesarchiv NRW.
Frage (Sarah): Sooo…. Und nun eine kurze Spaßfrage zum Schluss: Bist du ein Harry Potter Fan? In welchem Haus wärst du laut Pottermore.com (https://my-pottermore.wizardingworld.com/sorting-hat)?
Antwort (Janine): Ich bin ein leidenschaftlicher Harry Potter Fan und werde sicherlich mal das Schloss besuchen 🙂 Das Pottermore hat mich den Gryffindors zurgeteilt 😉
Daneben lese ich alles Mögliche von Fantasy über historisches, Comics, Krimis und Psychothriller aber auch Fachzeitschriften, Kochzeitschriften und Klatschblätter 😉