Mitten in meinem Studium, es war das fünfte Semester, besuchte ich eine Vorlesung über „Geschichtliche Grundbegriffe“. Ich müsste lügen, wenn ich behaupte, dass der Titel dieser Veranstaltung sofort meine Aufmerksamkeit und meine Begeisterung hatte. Ich rechnete mit einer drögen und mit theoretischen Begrifflichkeiten überfrachteten Veranstaltung. Doch kam es glücklicherweise anders. Wer an Archive denkt, mag ein Bild mit staubigen Akten und mit Regalreihen, in denen sich allerhand Archivalien stapeln, im Kopf haben. Sicherlich mag da etwas dran sein, jedoch sind Archive darüber hinaus etwas, was es sonst nur in Romanen und Filmen gibt: Zeitmaschinen! Denn – wie ich in der anfangs erwähnten Vorlesung erfuhr – entscheiden Archive darüber, was an Vergangenheiten zukünftige Benutzer in einem Archiv vorfinden werden.
Zu meinem Praktikum im Hochschularchiv der RWTH gehörte ein gut strukturierter und organisierter Modulplan. Verschiedene und abwechslungsreiche Aufgaben, die von dem Praktikanten absolviert werden, eröffnen einen guten Einblick was es heißt, in einer – um auf den vorherigen Abschnitt zurückzukommen – Zeitmaschine zu arbeiten. So besteht eine Aufgabe darin, Akten danach zu bewerten, ob sie überlieferungswürdig sind oder kassiert (d. h. vernichtet) werden können. So wird entschieden, welche Akten zukünftige Benutzer zur Verfügung haben werden und vielleicht sogar im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsarbeiten verwenden werden.
Des Weiteren gehört die Sorge um die adäquate Aufbewahrung der Archivalien zur alltäglichen Aufgabe eines Archivmitarbeiters. Akten müssen in spezielle Pappordner umgebettet und von Plastik sowie rostanfälligem Material wie z. B. Tacker- und Büroklammern befreit werden. Mit einer fachgerechten Software werden dann Akten verzeichnet und in die Online-Findbücher eingespeist. Beim Verzeichnen werden u. a. – je nach Archivale – Angaben zum Verfasser, zur Entstehungszeit und zum Inhalt gemacht. Freilich erhält jede Archivale eine eigene Signatur, um sie in den Magazinen auffinden zu können. Was ein wenig banal und manchmal in der Tat etwas eintönig sein kann, ist allerdings von großer Wichtigkeit. Was nützen Regale voller Archivgut, wenn nicht zügig eine bestimmte Akte aufgefunden und einem Nutzer bereitgestellt werden kann, da Akten schlampig oder schlimmstenfalls nicht verzeichnet worden sind? Bestandserhaltung und sorgsames Verzeichnen ermöglichen also, dass auch zukünftige Generationen ihre Fragen an das Archivgut herantragen können.
Mehrfach wurde er schon erwähnt: Der Benutzer. Nicht zuletzt ihm soll ein Archiv von Nutzen und ihm bei seiner Anfrage behilflich sein. Selbstverständlich gehören die Beantwortung von Anfragen und die dazu gehörige Recherche auch zur Aufgabe des Praktikanten. Hierbei zeigen sich gut sortierte Magazine und sorgfältige Verzeichnisse von Vorteil, um effektiv eine Anfrage beantworten zu können. Nichtsdestotrotz erfordert die Recherche manchmal eine gewisse Hartnäckigkeit, da bisweilen das Durchprobieren verschiedener Suchbegriffe erforderlich ist, bis die vom Nutzer nachgefragten Archivalien gefunden sind. Umso größer fällt aber dann die Freude aus, die Anfrage nach längerer Recherche positiv beantworten zu können. Meistens bedankt sich auch der Anfragensteller und dann kann es sogar vorkommen, dass das Archiv in einer Publikation erwähnt wird, für welche es Archivalien bereitgestellt hat.
Von den unterschiedlichen Aufgaben im Archivalltag sei zu guter Letzt noch die aktive Öffentlichkeitsarbeit erwähnt. Damit die Archivalien, die nicht gleich für eine Anfrage benötigt werden, nicht versauern, zeigt das Hochschularchiv der RWTH z. B. jeden Freitag auf Facebook und Google+ Archivgut aus seinen Beständen. Das Recherchieren nach interessanten Archivalien und das Schreiben passender Texten hat mir besonders viel Freude bereitet. Und bei jedem dieser „Bilderfreitage“ gelangt ein kleines Stück Vergangenheit in die Gegenwart einer Zukunft.