Man sagt, das Internet vergisst nie, doch ein gutes Archiv vergisst auch nie

Für mein Pflichtpraktikum habe ich sieben schöne Wochen im Archiv der RWTH verbracht. Jedes Mal, wenn ich davon erzählt habe, folgte die gleiche Reaktion aus ungläubigen, fragenden Augen. „Und was machst du da so? Das ist doch bestimmt total langweilig.“ Tatsächlich konnte sich kaum jemand aus meinem Bekannten- und Freundeskreis vorstellen, was in einem Archiv wirklich gemacht wird. Die Erfahrungen, die ich hier sammeln durfte, haben mir gezeigt, wie vielfältig und spannend Archivarbeit sein kann. Das Vorurteil des staubigen dunklen Kellerraums, in dem den ganzen Tag Akten sortiert werden, ist falsch!

Zugegeben, ich war selbst anfangs etwas überrascht, wie viele Bereiche der Alltag eines Archivmitarbeiters umfasst. Als Praktikantin hatte ich die Möglichkeit, durch vorgegebene Module in Aspekte vom Archivgesetz bis zur Videobearbeitung hineinzuschauen und mir Grundlagen anzueignen. Ich habe aus jedem Bereich positive Erfahrungen ziehen können, auch wenn ich zuerst dachte, mich nicht dafür begeistern zu können. Im Modul über Paläographie lernte ich die Kunst alte Schriften zu lesen. Dies ist eine mühsame, doch zugleich erfüllende Fähigkeit, die für jeden, der sich für Geschichte und/oder ältere Originaltexte interessiert, hilfreich ist. Das Wissen darüber konnte ich während eines Museumsbesuchs in meiner Freizeit direkt anwenden. Meine Mutter staunte nicht schlecht, als ich ihr einige Zeilen eines älteren handgeschriebenen Briefes vorlesen konnte. Oder als ich einem Freund über das Erlernte zum Urheberrecht berichtete, war die Reaktion ehrliches Interesse und ein längeres Gespräch entstand. Ein Praktikum im Hochschularchiv bedeutet also fürs Leben lernen.

Besonders gut hat mir außerdem die freundliche Atmosphäre gefallen, in welcher man sich vom ersten Tag an wohl fühlt. Die Angst vor Fehlern wird einem dadurch schnell genommen und es ist kein Beinbruch, wenn man viele Fragen hat. Am besten hat mir gefallen, wie viel Verantwortung ich übernehmen durfte. Ich hätte nie gedacht von Anfang an Mails beantworten zu dürfen oder je in einem Video für YouTube mitzuwirken. Das Recherchieren in den verschiedensten Akten habe ich als sehr lehrreich und zudem spaßig empfunden. Nie zuvor habe ich einen so direkten Einblick in die Geschichte bekommen – unglaublich was man dort alles findet! In einigen Akten gibt es unzählige Briefe an ehemalige Rektoren, im ordentlichsten Deutsch geschrieben oder frühere Diplomprüfungsordnungen (aus welchen ich u.a. gelernt habe, dass die Note „befriedigend“ um 1920 „ziemlich gut“ genannt wurde).

Ich bin froh einen so tollen Platz für mein Praktikum gehabt zu haben und es macht mich stolz, einen kleinen Beitrag zum Hochschularchiv geleistet zu haben.

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