Die Entziehung der Lehrbefugnis jüdischer Professoren an deutschen Hochschulen im Jahr 1933 ist ein dunkles Kapitel der deutschen Wissenschafts- und Bildungsgeschichte. Ein markantes Beispiel ist der Fall des Chemikers Dr. Arthur Guttmann, der an der Technischen Hochschule (TH) Aachen, der heutigen RWTH Aachen, lehrte. Diese Maßnahme war Teil der nationalsozialistischen Politik der „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, die darauf abzielte, das öffentliche Leben und insbesondere das Bildungswesen von sogenannten „nichtarischen“ Einflüssen zu „säubern“.
Arthur Guttmann wurde am 14. April 1881 in Wroclaw (Breslau) geboren. Nach dem Studium der Chemie an den Universitäten München und Breslau promovierte er 1908 zum Dr. rer. nat. Von 1909 bis 1911 arbeitete er als Assistent an der Chemisch-Technischen Versuchsanstalt in Hamburg-Blankenese. 1912 wurde er zum Leiter der Prüfanstalt des Vereins Deutscher Eisenportland-Zementwerke in Düsseldorf berufen. 1926 gründete und leitete er das Forschungsinstitut Deutscher Eisenportland-Zementwerke. Schließlich erhielt er 1930 eine Professur an der Fakultät für Stoffwirtschaft der TH Aachen.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 begann die systematische Verdrängung jüdischer Wissenschaftler. Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 war das Instrument, mit dem jüdische Beamte und Wissenschaftler aus dem öffentlichen Dienst entfernt wurden. Dr. Guttmann wurde Opfer dieser Politik. Als Dr. Guttmann den von den Nationalsozialisten eingeführten Fragebogen für deutsche Beamte nur teilweise ausfüllen wollte, begann ein intensiver Schriftwechsel zwischen ihm, dem Aachener Rektor Paul Röntgen und dem Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Schließlich bat Guttmann aus Zeitgründen um seine Entlassung aus dem Schuldienst. Trotz seines Austritts aus der jüdischen Religionsgemeinschaft bestätigte ihm der Düsseldorfer Oberbürgermeister seine „unzweifelhaft jüdische Abstammung“.
Nachdem Guttmann 1934 vergeblich um seine Wiedereinstellung gebeten hatte, emigrierte er 1938 mit seiner Familie nach England. 1941 wurde die Familie wegen angeblichen „Devisenvergehens“ ausgebürgert und ihr Vermögen beschlagnahmt. Nach dem Krieg plante Guttmann die Rückkehr nach Deutschland, starb aber am 3. Dezember 1948 in London.
Arthur Guttmanns wichtigste wissenschaftliche Leistung war die Wiederverwendung von Hochofenschlacke in Baustoffen, insbesondere als Eisenportlandzement. Diese Innovation führte 1916 zur Zulassung von Stahlbetonkonstruktionen und hatte weitreichende Auswirkungen auf die Bauindustrie.
Der Fall Dr. Arthur Guttmann an der RWTH Aachen zeigt die tiefgreifenden Auswirkungen der nationalsozialistischen Rassenpolitik auf das akademische Leben in Deutschland. Guttmanns erzwungene Emigration und die spätere Ausbürgerung seiner Familie stehen exemplarisch für das Schicksal vieler jüdischer Wissenschaftler dieser Zeit. Ungeachtet der politischen Verfolgung bleibt sein Beitrag zur Chemie- und Baustoffforschung unvergessen und wird weiterhin gewürdigt.