Ein Praktikum im Hochschularchiv – mehr als nur Kaffee kochen

Ich befand mich im vierten Semester des Bachelor-Studienganges Gesellschaftswissenschaften der RWTH und fand es an der Zeit, mein sehr theorielastiges Studium mit einem Praktikum beim Hochschularchiv aufzulockern. Es ist die eine Sache, sich mit Geschichte zu befassen, aber eine andere, sie hautnah im Archiv zu erleben und erhalten zu dürfen.

Ich fühlte mich während des Praktikums oftmals in der Zeit zurückversetzt. Dies lag besonders an den alten Briefen, Postkarten und Fotos, die mit sauberer Schreibschrift und ihren Aufnahmen von heute kaum noch erkennbaren Gebäuden, Vorplätzen und Kleidungsstilen Momentaufnahmen ihrer Zeit widerspiegelten.

Es gab jedoch auch unleserliche Briefe und Sachakten, deren Lektüre durch das Praktikantenmodul „Paläographie“ stark erleichtert wurde. Sowie das Schreiben im 16. Jahrhundert ein Handwerk war, so erlernte ich während des Praktikums die Kunst, diese alten Schriften zu lesen und die zehn goldenen Regeln der Paläographie anzuwenden.

Das Archiv bietet eine Vielzahl an Praktikantenmodulen und betraut einen mit viel Selbständigkeit und Verantwortung. Darunter fällt „Bewertung“, die Bürde zu entscheiden was archivwürdig ist und übernommen werden soll. Man lernt im „Archivrecht“ alles Grundlegende zu Datenschutz und Sperrfristen und im Modul „Urheberrecht“ den Umgang mit geistigem Eigentum. Der Exkurs über Recherchemöglichkeiten bietet einem noch über das Studium hinaus die Möglichkeit der Bibliotheks- und Archivnutzung online.

Die Module sind zwar Pflicht, bieten aber abwechslungsreiche und willkommene Aufgaben. Ich konnte mich oft nicht entscheiden, welches ich zuerst angehen möchte. Besonders Umbetten und Verzeichnen gaben mir stets das Gefühl etwas am Tag geleistet zu haben. Ein Gefühl, das man in vielen Praktika vielleicht nicht hat.

Die Beantwortung von eingehenden Anfragen gehörte zu den spannendsten und obligatorischsten Aufgaben, dies wurde besonders aufregend, wenn es internationale Anfragen auf Englisch waren. Man vertieft sich, ehe man sich versieht, in die akribische Recherche nach Themen, Personen und Orten, von denen und ihrem Wirken man sonst vielleicht nie etwas erfahren hätte. Das Stöbern in der Geschichte Aachens und der RWTH war nicht nur interessant, sondern machte auch erfinderisch. Ich weiß noch, als uns Studierendenverzeichnisse, Nachrufe und das Gefallenendenkmal des Ersten Weltkrieges (am Eingang der Aula) Aufklärung über den Verbleib von Architekturstudenten boten.

Mein Praktikum half mir bei meiner Berufsorientierung auf jeden Fall weiter und war mehr als nur ein Pflichtpraktikum. Sollte ich keine Laufbahn im Archivwesen einschlagen, so werde ich mit Sicherheit meine Abneigung gegenüber korrodierten Tackerklammern und Klebeband beibehalten. Den Hang zur Ordnung werde ich erst recht übernehmen. Ich durfte viel lernen, das ich aus meinem Praktikum mitnehmen möchte. Besonders im Umgang mit Menschen – seien es Nutzer oder Mitarbeiter. Bei Letzteren möchte ich mich für die Hilfe, Arbeitsatmosphäre und schöne Zeit bedanken.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.