Neubeginn und Entwicklung in der Bundesrepublik

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Neue Fakultäten

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Ein Drittel Studentinnen, eine Handvoll Dozentinnen
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Die RWTH "heute"
Ein ungewisses Schicksal bei Kriegsende
Werner Geller (1907-1957), Dozent für Hüttenkunde, war das einzige Mitglied des Lehrkörpers, das Aachens Kapitulation vor Ort erlebte. Ihm ist zu verdanken, dass die TH der Stadt erhalten blieb. Mit wenigen Helfern machte er sich an die Aufräumarbeiten und knüpfte Kontakte zu den Besatzungsbehörden. Am 23. August 1945 wurden Paul Röntgen (1881-1968), Professor für Metallhüttenkunde und bereits Rektor in den Jahren 1932-34, die laufenden Rektoratsgeschäfte übertragen. Am 3. Januar 1946 begann mit rund 250 Studierenden der Lehrbetrieb. 1947 waren die meisten ausgelagerten Einrichtungen - sofern nicht verloren - nach Aachen zurückgekehrt. Dennoch schien das Weiterbestehen der TH angesichts von Zerstörungen, materieller Not und ungeklärter NS-Vergangenheit der Hochschule zunächst keineswegs gesichert.
Warnschild
   
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"Stunde Null" oder Kontinuität?
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Die Nazivergangenheit der TH blieb ein ernsthaftes Problem. Es gab nur einzelne Hochschullehrer ohne Parteibuch. Die Vorgabe der (seit Juni 1945) britischen Militäradministration, nur aktive Nazigegner in Schlüsselpositionen zu dulden und "Belastete" aus dem Lehrbetrieb zu entfernen, musste auf kaum lösbare Schwierigkeiten stoßen. Am 26. Januar 1946 waren über 200 Studenten von der Militärverwaltung zu ihrer Meinung in Bezug auf die Nürnberger Prozesse befragt worden. Dass gerade nur ein Zehntel überhaupt antwortete, war Anlass für "linke" Stadtvertreter (KPD, SPD, FDGB), erfolglos die Schließung der "faschistischen Hochburg" zu fordern. Indes: Spätestens Anfang der 1950er Jahre war ein Großteil der aufgrund ihrer politischen Vergangenheit entlassenen Hochschullehrer auf ihre Posten zurückgekehrt.
Die erste "Mammut-Hochschule"
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In Zeiten von Wirtschaftswunder, Westintegration und Ost-West-Konfrontation waren Probleme der Vergangenheit rasch und leichten Herzens verdrängt, man schaute "nach vorne". Hatte die Nutzfläche der TH vor dem Krieg 33.000 qm betragen, war sie bis Anfang der 1960er Jahre auf 88.000 qm angewachsen, der anfangs wichtige Wiederaufbau gegenüber zahlreichen Neubauten zurückgetreten. Obwohl die Studentenzahlen an allen bundesdeutschen Universitäten anstiegen, hatte die RWTH den größten Zuwachs zu verzeichnen. Mit Überschreitung der magischen Ziffer von 10.000 Immatrikulierten Ende 1960 war die TH - gemessen an den Studentenzahlen - zur größten deutschen Technischen Hochschule geworden. Der regen Bautätigkeit entsprach eine starke fachliche Erweiterung von Forschungsaktivitäten und Lehrangebot.
Neue Fakultäten
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Die seit 1922 bestehende TH-Gliederung in vier Fakultäten blieb im wesentlichen bis 1960 bestehen. In den 1950er Jahren waren allerdings zahlreiche neue Lehrstühle und Dozenturen eingerichtet worden. Die rasche technisch-wissenschaftliche Entwicklung hatte zu einer Auffächerung bisheriger Lehrangebote, aber auch zur Entstehung gänzlich neuer Fächer geführt. So "emanzipierte" sich zum Beispiel die Elektrotechnik vom Maschinenbau und erlangte am 17. März 1961 den Status einer eigenständigen Fakultät. Schritte der TH in Richtung einer "klassischen" Universität waren die Einrichtung einer Philosophischen (1. April 1965) und einer Medizinischen Fakultät (18. Juni 1966). Diese Gründungen verliefen nicht ohne Diskussionen innerhalb der etablierten Fakultäten, stellten sie doch das bisherige Selbstverständnis einer "technischen" Hochschule in Frage.
Demokratisierung mit Mängeln
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Bald nach dem Krieg stellten sich Fragen nach dem künftigen Rechtszustand der TH. Einfach an die Gegebenheiten der Weimarer Zeit anzuknüpfen, dazu war die Hochschulleitung nicht bereit, ein Fortfahren als "preußische" Hochschule aber war unmöglich. So legte die Hochschule den ersten Verfassungsentwurf bereits im April 1947 vor. Die schließlich am 29. Oktober 1961 vom NRW-Kultusministerium genehmigte TH-Verfassung musste jedoch viele enttäuschen. Ursprüngliche Vorstellungen einer demokratischen Hochschulreform waren nicht verwirklicht worden, es blieb weiterhin bei einer streng hierarchischen Ordinarienverfassung. Vor allem hatten die Studenten weiterhin faktisch keinen Einfluss auf die universitäre Selbstverwaltung. Die verpasste grundlegende Demokratisierung sollte ab 1967 wesentlicher Gegenstand studentischen Protestes werden.
"Studentenrevolte" und die Folgen für die RWTH
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Der Mord am Studenten Benno Ohnesorg in Berlin (2. Juni 1967) bildete gewissermaßen den Auslöser einer landesweiten Politisierung der Studentenschaft, die in Form und Tragweite noch nie dagewesen war. In vielfältigen und teils ungewöhnlichen Protestformen forderte man politische und gesellschaftliche Veränderungen ebenso wie Hochschul- und Studienreformen. Auch in Aachen artikulierte sich massiver studentischer Protest, der sich insbesondere gegen die überholten, hierarchischen Strukturen der TH wandte ( "Unter den Talaren, der Muff von tausend Jahren... "). Die am 1. Januar 1969 in Kraft getretene TH-Verfassung war eine erste Kompromisslösung, die eine studentische Mitbeteiligung von 20% in den zentralen Hochschulgremien vorsah.
Rektoren und Senatoren in Amtstracht
 
Rektoren und Senatoren in Amtstracht
 
Ein Drittel Studentinnen, eine Handvoll Dozentinnen
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In den ersten beiden Jahrzehnten nach Kriegsende sank der Frauenanteil an den Hochschulen rapide ab, in den TH’s erreichte er Anfang der 1960er Jahre mit 4,5% einen Tiefpunkt – die Frau gehörte wieder an den „häuslichen Herd“. Erst die gesellschaftlichen Umbrüche seit Ende der 1960er Jahre, die Frauenbewegung und die neue Bildungspolitik brachten den Wandel. An der RWTH stieg der Anteil von Studentinnen von etwa 7% 1967/68 über durchschnittlich 25% in den 1980er und 1990er Jahren auf 39% zum WS 2002 an. Einer Frauenbeauftragten (2000: Gleichstellungsbeauftragte) obliegt es seit 1991, geschlechtsspezifische Benachteiligung von Frauen etwa bei Stellenbesetzungen zu vermeiden. Allerdings waren und sind Frauen im Lehrpersonal stark unterrepräsentiert, lag der Anteil von C4-Professorinnen in den 1990ern doch unter 2%.
Exorbitantes Wachstum seit den 1970er Jahren
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In den 1970er Jahren kam es in der Bundesrepublik allgemein zu einer "Explosion" der Studentenzahlen. An der TH übten insbesondere die neuen Fakultäten ( "Philosophische" und "Medizinische") Anziehungskraft auf Studierwillige aus. Weiteren Zuwachs brachte der TH die Angliederung der "Pädagogische Hochschule Rheinland" als Pädagogische Fakultät "zur Abwicklung" (1. April 1980). Die jüngste Fakultätsgründung erfolgte 1986 durch Loslösung der Wirtschaftswissenschaften aus der Philosophischen Fakultät. Von etwa 10.000 um 1970 stiegen die Zahlen auf über 25.000 Studierende im Jahr 1980, dann nochmals auf 35.000 Mitte der 1980er Jahre. Nach einem Höhepunkt von über 37.000 Studierenden Anfang der 1990er Jahre gingen die Zahlen auf rund 30.000 um die Jahrtausendwende zurück.
Universitätsklinikum
 
Universitätsklinikum
 
Die RWTH "heute"
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Die mittlerweile über 130 Jahre währende Geschichte der RWTH Aachen war mit den allgemein- wie bildungspolitischen Entwicklungen ihrer Zeit stets aufs Engste verknüpft. Dies klingt wie ein Allgemeinplatz, trifft in diesem Falle aber fast exemplarisch zu. Mit bald 11.000 Beschäftigten ist die RWTH größte Arbeitgeberin der Region, ist vielfältig außerhalb der Hochschule engagiert, pflegt internationale Kontakte in Wissenschaft und Wirtschaft. Der lange Weg der "Emanzipation" der Technischen Hochschule(n) von den Universitäten ist mit einem fast vollständig vorhandenen Fächerkanon erreicht. Rang die naturwissenschaftlich-technische Wissenschaft lange um ihre akademische Anerkennung, sind es heute in Aachen und überall die klassisch-universitären Fächer, die, "überspitzt formuliert", in der "Defensive" stehen.
RWTH im Zentrum
 
RWTH im Zentrum
 
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