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Gleichschaltung
zwischen Zwang und Freiwilligkeit |
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Der
Prozess der "Gleichschaltung" nach dem 30. Januar
1933 traf gerade bei den Technischen Universitäten und
Hochschulen auf vergleichsweise geringen Widerstand - so auch
in Aachen. Am 24. April 1933 stellte sich die ohnedies rechtslastige
"Studentenschaft" unter eine "nationale Führung".
Bis 1935 waren alle Verbindungen aufgelöst, ihr Besitz
den NS-Organisationen einverleibt. Vom Lehrkörper war bis
auf Ausnahmen keine Opposition zu erwarten. Die Mehrheit der
Techniker und Naturwissenschaftler gab sich - bei einer nach
rechts tendierenden Grundhaltung - traditionell tagespolitisch
abstinent. Seit dem 28. Oktober 1933 galt das "Führerprinzip"
auch an der TH. Infolgedessen verlor sie bis April 1935 weitgehend
ihre Selbstverwaltungsrechte und wurde einer streng hierarchischen
Organisationsstruktur unterworfen. |
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Aachen
1936 |
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Ausgrenzung
und Verfolgung.
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1.:
Der Lehrkörper |
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Im
Frühjahr 1933 begann die systematische Verfolgung jüdischer
und politisch (vermeintlich oder tatsächlich) anders denkender
Dozenten. Nach dem Unrechtsgesetz zur "Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums" (7.4.1933) wurde den "nichtarischen"
Professoren Arthur Guttmann, Alfred Meusel, Leopold Karl Pick,
Otto Blumenthal, Paul Ernst Levy und Walter Maximilian Fuchs im
September 1933, Ludwig Hopf am 22. Januar 1934 die Lehrerlaubnis
entzogen. Theodor von Kármán verzichtete in absentia
auf alle Ansprüche - er lehrte seit 1931 in den USA. Aufgrund
der "Frontsoldatenklausel" gewährte man Karl Walter
Mautner, Ludwig Strauss und Hermann Salmang noch eine kurze "Gnadenfrist". |
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"Wege
gegen das Vergessen" |
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Ausgrenzung
und Verfolgung. |
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2.: Die Studentenschaft |
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Es
ist eine bittere Erkenntnis, dass die ersten Denunziationen gegen
jüdische oder "kommunistische" Dozenten am 18.
März 1933 vom AStA der TH verbreitet wurden - sozusagen in
einer Art vorauseilendem Gehorsam, obgleich dieser nicht die Einstellungen
der Gesamheit aller Studierenden repräsentierte. Nominell
stand die Aachener Studentenschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht
unter Führung des "Nationalsozialistischen Deutschen
Studentenbundes", der Antisemitismus der einflussreichsten
Studentenorganisationen war also nicht erst eine Erfindung der
Nazis. Mit ihrer Verfassung vom 7. Februar 1934 wurde der völkisch-großdeutsche
Antisemitismus der "Deutschen Studentenschaft" als studentischer
Dachorganisation sanktioniert. "Reichsweit" nahm man
Juden das Promotionsrecht (15.4.1937) und das Recht auf Zulassung
als Gasthörer (9.6.1938). Am 8. Dezember 1938 folgte der
generelle Ausschluss von Juden aus Universitäten und Hochschulen. |
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Parteimitglieder
an der RWTH |
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Schon
Ende 1935 besaßen 48 Mitglieder des Lehrkörpers, 15
Assistenten und damit mehr als die Hälfte der Hochschullehrer
ein Parteibuch der NSDAP. Dieser hohe nationalsozialistische Organisationsgrad
ist bemerkenswert, wenn auch beklagenswerter Opportunismus und
Mitläufertum ebenso eine Rolle spielten wie die schlichte
Tatsache, dass "frei werdende Stellen" jüdischer
Dozenten besetzt werden mussten. So boten sich ab 1934 an der
TH wie anderswo für Parteigenossen selten günstige Aufstiegschancen,
bei denen die fachliche Qualifikation im Zweifelsfall zweitrangig
war. Als ein prominentes Beispiel ist Wilhelm Müller (1880-1968)
zu nennen, ein führender Vertreter der sich ideologisch extrem
antisemitisch und nationalistisch gebenden, sogenannten "Deutschen
Physik". |
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Reichsgründungsfeier
1936 |
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Forschung
und Lehre |
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Nach
der "Gleichschaltung" unterstand die TH unmittelbar
dem Reichsministerium für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung,
die Reichsregierung konnte nun unmittelbaren Einfluss auf die
inneren Belange der Hochschule ausüben. Vorhaben zur "Entlastung"
von Studienplänen, die alle Fakultäten, vor allem aber
die "Allgemeinen Wissenschaften" betrafen, versuchte
sich die TH hinhaltend zu widersetzen. Im Kontext der zunehmenden
Rüstungsanstrengungen des Deutschen Reiches wurden bestimmte
Fächer und Forschungseinrichtungen dagegen gezielt ausgebaut,
etwa seit 1934 das "Hüttenmännische Institut",
der "Verkehrsmaschinenbau" und ab 1935 vor allem der
Fachbereich "Luftfahrzeugbau". Das am 1. September 1935
der TH angegliederte Materialprüfungsamt arbeitete gezielt
auch für Behörden, Industrie und Verbände. |
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Die
„Rolle“ der Frau in Ideologie und Praxis |
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Das
Idealbild der „deutschen“ Frau in der NS-Ideologie
war das der Hausfrau und Mutter. Ein 1933 eingeführter geschlechtsspezifischer
Numerus Clausus begrenzte den jährlichen Anteil weiblicher
Studienanfänger, die vor allem auf die Medizin und das Lehramt
verwiesen wurden, auf 10%. Tatsächlich mussten die Beschränkungen
bereits 1935 wegen Nachwuchsmangels aufgehoben werden, seit 1938
wurden Frauen aufgrund der militärischen Pläne des Staates
regelrecht zum Studium ermuntert. 1943/44 erreichte der Frauenanteil
mit 61% einen nie gekannten, allerdings kriegsbedingten Höchststand:
die Männer waren an der Front. An der TH wurden mit der Chemikerin
Maria Lipp und der Mineralogin Doris Elfriede Schachner 1938 und
1942 die ersten Frauen zu „außerplanmäßigen“
Professorinnen berufen. |
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Die
RWTH im Krieg |
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Nach
Kriegsausbruch im September 1939 wurde die TH vorübergehend
geschlossen. Die zum Wintersemester 1940 wieder eröffnete
TH zählte nur noch 255 Studenten - viele waren zwischenzeitlich
an andere Universitäten gewechselt oder zum Kriegsdienst
eingezogen. Alle Bauvorhaben waren gestoppt, der Studienbetrieb
wurde immer stärker durch den Krieg geprägt, rüstungswirtschaftliche
Forschungsaufgaben rückten in den Mittelpunkt. Studien- und
Prüfungsordnungen waren 1941 vor allem in Hinsicht auf eine
Verkürzung der Studiendauer geändert worden. Noch 1942
ausgearbeitete Entwürfe für ein Auslandsstudium - Pläne
einer Ingenieurausbildung "für die Kolonien" -
wurden rasch durch den Kriegsverlauf überholt. |
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Brandbekämpfung
nach Bombenangriff |
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Ein
Ende in Trümmern |
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Als
Aachen am 21. Oktober 1944 gegenüber den US-Truppen kapitulierte,
war das zentrale Hochschulgelände bis zu 70 Prozent zerstört.
Die Stadt war seit Mai 1940 über 70 Mal das Ziel an Zerstörungskraft
sich ständig steigernder Luftangriffe gewesen, die Straßenkämpfe
seit September 1944 taten ihr Übriges. Wertvolle Geräte
und Maschinen waren 1944 ins benachbarte Eupen ausgelagert worden,
kostbare Bibliotheksbestände - Erstdrucke, Tafelwerke, Dissertationen
und ein großer Teil älterer Zeitschriftenbestände
- fatalerweise in Westwallbunker bei Eilendorf. Im Januar 1945
wurden rund 50.000 Bände zerstört, als die Amerikaner
die Bunker aus Angst vor einer deutschen Gegenoffensive sprengten
- Monate nach Aachens Kapitulation. |
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ausgebranntes
Hauptgebäude |
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zerstörtes
Hauptgebäude |
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