Die Jahre der Weimarer Republik

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Formale Gleichberechtigung der Frau versus akademische Wirklichkeit
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Weiterer Ausbau in "schlechten" Zeiten

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Die Zäsur von 1918  
Aachen bekam die kaum erwartete Kriegsniederlage ganz unmittelbar zu spüren, als Ende 1918 den zurückkehrenden deutschen Soldaten die alliierten Besatzer folgten. Die TH wurde sofort beschlagnahmt, das Mobiliar teilweise verwüstet, das Hauptgebäude kurzzeitig in eine Kaserne verwandelt. Für die eng mit den gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Strukturen des Kaiserreiches verbundene Technische Hochschule bedeutete dessen Untergang eine tiefe Zäsur. Die schlimmsten Befürchtungen erfüllten sich jedoch nicht: Im Januar 1919 konnte der Lehrbetrieb eingeschränkt wieder aufgenommen werden. Dennoch hingen Pläne einer Verlegung ins unbesetzte Rechtsrheinische das ganze Jahr 1919 hindurch wie ein Damoklesschwert über der TH.
Rückkehr 1918
Hauptgebäude
Rückkehr der Truppen nach Aachen
Hauptgebäude
 
In den "unruhigen Jahren" der Republik
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Fremde Besatzung, politische Unruhen, Separatistenbewegung, Hyperinflation: All dies belastete das Rheinland in den ersten Jahren der Republik erheblich. Wo stand in dieser Zeit die - nun nicht mehr "königliche" - TH Aachen? Die Mehrheit der Professoren und Dozenten blieb "deutsch-national" gesinnt. Die Studentenschaft artikulierte in verschiedener Weise ihren Widerstand gegen die Besatzungsmächte, aber auch gegen eine politisch indifferente Separatistenbewegung, die vor allem eine Loslösung des Rheinlands von Preußen betrieb. Die TH blieb ein "Hort der nationalen Einheit". Dem "System" der Republik stand man dabei fern bis feindlich gegenüber. Sinnfälliges Beispiel ist der Kapp-Putsch im März 1920, der auf offene Sympathie der Studenten stieß.
   
Zeit der Reformen
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Zu Beginn der 1920er Jahre konnten einige zum Teil schon lange diskutierte Reformmaßnahmen erfolgreich in Angriff genommen werden. Ab dem Wintersemester 1922/1923 präsentierte sich die TH mit einer Fakultätsgliederung. Vier Fakultäten mit jeweils vorsitzendem Dekanat lösten die alten "Abteilungen" ab. Ihnen - und nicht der Hochschule - oblag künftig auch das Promotionsrecht. Die zugleich in Kraft tretende Studienreform unterschied in Studium und Lehrangebot erstmals etwa zwischen Pflicht- und Wahlfächern. Ein vordringliches Ziel des preußischen Kultusministeriums, die inhaltliche Erweiterung der "Allgemeinen Wissenschaften" mit kultur-, rechts- und staatswissenschaftlichen Dozenturen, scheiterte vorläufig an der schlechten Finanzlage des Staates.
 
Formale Gleichberechtigung der Frau
versus akademische Wirklichkeit
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In der Weimarer Verfassung wurde zum ersten Mal die Gleichberechtigung der Frau verankert. Frauen erhielten freien Zugang zu allen Hochschulen, im Februar 1920 wurde ihnen das Habilitationsrecht zuerkannt. Die Zahl der Studentinnen in Deutschland stieg von 9,4% im Jahre 1919 auf 18,5% im Jahre 1932. Im Uni-Alltag blieb indes ihre Ausgrenzung durch (männliche) Professoren wie Studenten an der Tagesordnung. Die Chancen einer Hochschulkarriere waren minimal: von deutschlandweit 10.595 Promovendinnen (1908-1933) konnten tatsächlich nur 54 als Dozentinnen arbeiten, 24 habilitierten Frauen standen 2 ordentliche Professorinnen gegenüber. An der TH promovierten 1918-1932 nur 10 Frauen, 2 konnten sich habilitieren und ihre Forschungen zumindest als Privatdozentinnen fortsetzen.
Weiterer Ausbau in "schlechten" Zeiten
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Wachsende Studentenzahlen und neue Aufgaben machten Neu- und Erweiterungsbauten erforderlich. Sie wurden - wie das neue Werkzeugmaschinenlaboratorium (1923/24) - trotz unsicherer Finanzierungslage in Angriff genommen. Die quantitative Erweiterung ging einher mit einer qualitativen. Das "Textilchemische Lehr- und Forschungsinstitut" etwa nahm 1930 seinen Betrieb auf, die "Theoretische Elektrotechnik" konnte 1929 endlich ein modernes Gebäude beziehen ("Rogowski-Institut"). In finanzschwachen Zeiten war Eigeninitiative gefragt. TH-Rektor Hubert Hoff (1870-1964) gelang es im Jahre 1928, das ehemalige Lochnersche Palais in der Mauerstraße als Privatmann zu ersteigern - dann schenkte er es als neues "Institut für Gesteinshüttenkunde" dem preußischen Staat, der es der TH eingliederte.
Elektrotechnisches Institut
   
Elektrotechnisches Institut
Werkstatt
Werkstatt
 
Soziales und politisches Studentenleben
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Am 18. Mai 1920 öffnete die erste "Mensa academica" in der Talbothalle ihre Pforten, ein "Verein Studentenwohl Aachen" konstituierte sich als Vorgänger des Studentenwerks. Am 7. November 1925 wurde das "Haus der Studentenschaft" in der Turmstraße seiner Bestimmung übergeben. Die TH erreichte 1922 mit mehr als 1400 Studenten einen nie gekannten Hochstand. In politischer Hinsicht verstanden es die Aachener - wie die deutschen Studenten insgesamt - von den neuen Freiheiten der jungen Republik zu profitieren. Am 13. Januar 1919 gründete eine Aachener Studentenversammlung ihren ersten so genannten "Allgemeinen Studentenausschuss" (AStA). Es war gegenüber den zahlreichen Vorgängerinstitutionen die erste wirksame, studentische Interessenvertretung.
Verbindungsstudenten
   
Verbindungsstudenten
 
Radikalisierung der Studenten vor 1933
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Ein Großteil der deutschen Studenten - da standen die Aachener nicht abseits - schätzte zwar die Handlungsspielräume der Demokratie, nicht aber deren Werte. Antirepublikanische, reaktionäre, nationalistische, "völkische" und antisemitische Überzeugungen begannen vorzuherrschen. Im Juli 1931 konstituierte sich in Aachen eine "Studentische Arbeitsgemeinschaft", in der sich zahlreiche rechtsgerichtete Gruppierungen vereinten, darunter der "Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund" und diverse schlagende Verbindungen. Zwar blieben im katholischen Aachen konfessionell gebundene Studentenverbindungen bis 1933 vergleichsweise stark - seit 1932 trat auch eine republikanische, "Antifaschistische Liste" bei den Wahlen der "Studentenschaft" an - sie konnten aber die zunehmende Dominanz des rechten Spektrums nicht verhindern.
 
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