Kalenderbild März: Lesen will gelernt sein

Naturgemäß finden sich in einem Archiv auch immer wieder alte Akten, mit denen man nicht immer sofort etwas anzufangen weiß, so auch das Kalenderbild des Monats März (Sig. 840). Ein solches Dokument sieht durch die unbekannte Schrift zunächst einmal ungewohnt aus und macht es auf den ersten Blick für uns heutzutage vermeintlich nicht zu entziffern. Durch die besonderen Schwünge und Ausprägungen der Buchstaben entsteht sogar ein eleganter Eindruck, der nicht wirklich zu den eher massiv anmutenden Formen der gebrochenen (Stempel-) Schrift passt. Um herauszufinden, was sich hinter dem Dokument eigentlich verbirgt, benötigt man Kenntnisse in Paläographie, also in der Lehre alter Schriften. Hierbei entziffert man die Wörter Stück für Stück und orientiert sich an bekannten Formen. Eine mühsame aber unerlässliche Fähigkeit, möchte man mit Quellen arbeiten.

3März_Sig.840

Die hier verwendete Kurrentschrift legt nach ihrer Transkription folgenden Inhalt dar:

 

Der Minister der geistlichen Unterrichts und Medizinal-Angelegenheiten

Berlin 10.64., den 18. August 1909

 

Nach dem daß Gesetz, betreffend die Bereitstellung von Mitteln zur Diensteinkommenßverbesserung für die unmittelbaren Staatßbeamten, zur Außführung gelangt ist, sind die Mehraußgaben zu ermitteln, welche darnach in dem nächstjährigen Staatl. Haushaltßetat einzustellen sind. Zu dem Ende sind die nach Maßgabe deß Runderlasseß vom 11. Steptember 1892-H III 2537 einzureichenden Nachweisungen über den Stand der Besoldungen am 1. Oktober 1909 auf den Mehrbedarf zu erstrecken, welcher infolge der neuen Besoldungßordnung bei dem Wohnungßgeldzuschüssen und bei den Bezügen der Diätarisch beschäftigten Beamten entstehen.

Die Nachweisungen sind dementsprechend nach der für den dießjährigen Oktobertermin anderweit vorgeschriebenen, in drei Exemplaren beigefügten Vordrucken baldigst auszustellen und für dieseß Jahr biß zum 15. September einzureichen. Indem ich noch bemerke, daß die Nachweisungen selbstredend auf die am 1. Oktober d. Jß. Fällig werdenden Gehaltß u.s.w. Zulagen zu berücksichtigen haben, mache ich den nachgeordneten Behörden die pünktliche Innehaltung deß gestellten Terminß noch besonders zur Pflicht.

Gesehen.

Aachen den 23. August 1909

Der Regierungspräsident.

An die nachgeordneten Behörden

An den Herren Rektor der Königlichen Technischen Hochschule in Aachen

 

Es handelt sich also um ein Dokument, in dem die Modalitäten eines geänderten Einkommens für Staatsbeamte und die damit verbundenen Etatänderungen thematisiert werden. So war es möglich durch paläographische Kenntnisse und ein wenig Übung ein zunächst scheinbar völlig unleserliches Dokument zu entziffern. Nach dieser beinahe detektivischen Arbeit ernüchtert der eher profane Inhalt des Dokuments unter Umständen. Doch wer weiß, was sich hinter der nächsten „unleserlichen“ Seite versteckt.

 

Anmerkung: Das in diesem Dokument vorkommende sogenannte “runde S” gibt es heutzutage in dieser Form nicht mehr, daher wurde es in der Transkription durch ein ß ersetzt.

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