Schutzfrist bei Lichtbildwerken und einfachen Lichtbildern

Schutzfristen bei Fotos

Eine klare Grenze zwischen nach § 72 UrhG geschützten Lichtbildern und nach § 2 UrhG geschützten Lichtbildwerken zu ziehen, ist nicht möglich. Letztlich entscheiden die Gerichte über den Umfang des Schutzes.

Für die Arbeit der Archive darf man davon ausgehen, dass die meisten als archivwürdig bewerteten Fotos als Lichtbildwerke zu behandeln sind und daher 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen urheberrechtlichen Schutz genießen. Außer sehr einfachen Knipsbildern würde ich z.B. Münzfotos und Abbildungen von Reliefs, die zweidimensionalen Vorlagen sehr nahe stehen, als einfache Lichtbilder betrachten.

In meiner Urheberrechtsfibel von 2009 S. 162  habe ich mich zu skeptisch gezeigt, was die Meinung der Urheberrechtskommentare zu dem in der Grafik aufgezeigten Widerspruch angeht.

Dreier/Schulze/Schulze: UrhG 4. Auflage 2013, § 72 Rn. 37: “Stellt der Lichtbildner ein Foto kurz (zum Beispiel 5 Jahre) vor seinem Tode her und wird dieses Lichtbild erst lang (zum Beispiel 35 Jahre) nach seinem Tode erstmals veröffentlicht, dann beträgt die Schutzdauer bis zu maximal 100 Jahren nach der Herstellung und liefe ggf. nach Ende der Schutzdauer für Lichtbildwerke (im Beispielsfall: 85 Jahre statt 70 Jahre nach dem Tode) ab. Auf der einen Seite widerspräche eine über 70 Jahre post mortem auctoris hinausgehende Schutzdauer Art. 1 Abs. 1 Schutzdauer-RL. Man könnte deshalb an eine Deckelung der Schutzdauer denken, die bei Fotos in jedem Fall 70 Jahre nach dem Tode des Lichtbildners einträte (so WB/Thum Rn 35). Auf der anderen Seite sieht Art. 3 Schutzdauer-RL eine bis zu 100 Jahren dauernde Schutzdauer bei verwandten Schutzrechten durchaus vor. Da Art. 6 Satz 3 Schutzdauer-RL den Mitgliedstaaten ermöglicht, den Schutz anderer Fotografien, also auch einen zusätzlichen Leistungsschutz, vorzusehen, kann auch deren Schutzdauer so geregelt werden, wie es Art. 3 Schutzdauer-RL bei anderen verwandten Schutzrechten vorsieht. Allerdings ist jedes Lichtbildwerk zugleich auch ein Lichtbild. Darin unterscheiden sich Lichtbilder von anderen verwandten Schutzrechten, denen kein vergleichbarer Werkschutz überlagert ist. Somit ließe sich die Schutzdauer bei jedem Lichtbildwerk über die in Art. 1 Schutzdauer-RL vorgesehenen 70 Jahre nach dem Tode verlängern, wenn es kurz vor dem Tode des Fotografen geschaffen und erst entsprechend spät veröffentlicht wird. Diesen Widerspruch zu Art. 1 Schutzdauer-RL wird wohl nur der EuGH klären können.”

Wandtke/Bullinger/Thum: Praxiskommentar zum Urheberrecht 4. Auflage 2014, § 72 Rn. 35: “Berücksichtigt man, dass Lichtbildwerke hingegen gem. § 64 „nur“ bis 70 Jahre nach dem Tode des Fotografen geschützt sind, kann der Schutz einfacher Lichtbilder, die vom Fotografen in den letzten 30 Jahren vor seinem Tode aufgenommen worden sind, nach § 72 Abs. 3 im Einzelfall bis zu 30 Jahre länger andauern als der Urheberrechtsschutz (Beispiel: ein 10 Jahre vor dem Tode hergestelltes Lichtbild erscheint erstmals im Jahr 30 nach dem Tode und wäre dann gem. § 72 Abs. 3 noch bis zum Jahr 80 nach dem Tode geschützt). Fraglich ist, ob, da die Schutzfrist für schöpferische Fotografien durch Art. 6 der Schutzdauer-Richtlinie verbindlich auf 70 Jahre p. m. a. festgelegt wurde, die wenn auch nur subsidiäre Gewährung des längeren Lichtbildschutzes nach § 72 für schöpferische Fotografien europarechtswidrig ist. Und da der im Einzelfall die urheberrechtliche Schutzdauer bis zu 30 Jahre überschreitende Lichtbildschutz auch in der Sache nicht angemessen ist, wäre eine zeitliche Begrenzung des Lichtbildschutzes auf die Dauer eines entsprechenden Urheberschutzes wünschenswert, bspw. durch Einfügung eines neuen S. 2 in § 72 Abs. 3 der Art „In jedem Fall erlischt das Recht nach Abs. 1 jedoch 70 Jahre nach dem Tode des Lichtbildners; §§ 65 und 66 finden entsprechende Anwendung“ oder durch einen vollständigen zeitlichen Gleichlauf beider Schutzrechte.”

Die Kommentare sehen also durchaus das Problem, dass die deutsche Sonderregelung für Lichtbilder (einen vergleichbaren Schutz “unterhalb” des urheberrechtlichen “Werk”-Schutzes gibt es sonst nur in Österreich) die europarechtlich vorgegebene Schutzfrist von 70 Jahren nach Tod des Urhebers in bestimmten Konstellationen aushebeln könnte. Eine gerichtliche Klärung ist nicht in Sicht. In der archivischen Praxis wird man aber an der Faustregel “Fotos sind 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen (oder der Fotografin) geschützt” bedenkenlos festhalten können.

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