Kalenderbild Dezember: Nikolausabend in der Nachkriegszeit

Das Interessante an diesem Nikolausabend der Fachschaft Architektur findet sich im Kleingedruckten auf der Einladung: textausschnitt Transkription: Zugverbindung ab Aachener Hbf. 16.38 ab Aachen West 16.46| (Straßenbahnsperrzeit von 16.30-18.00) – Es wird gebeten| bis zum 12.12. bei Herrn Jansen (Reiffmuseum) Marken| für 200 g Brot und 40 g Zucker abzugeben.

Dezember 1947. Zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist Deutschland weiterhin von den Alliierten besetzt. Die Versorgung der Bevölkerung ist neben dem Wiederaufbau des Landes die vordringlichste Aufgabe der Besatzer. Die Mensen der Universitäten und Hochschulen sind immer noch geschlossen, Lebensmittel werden rationiert und können nur mit sogenannten Nährmittelkarten oder Lebensmittelmarken erworben werden. Für eine Nikolausfeier, auf der den Gästen natürlich Gebäck angeboten werden sollte, wurden deswegen diese Marken gesammelt. Die Teilnehmenden wurden gebeten, Marken für 200 g Brot und 40 g Zucker bis zum 12.12. bei Herrn Jansen im Reiffmuseum abzugeben, der anscheinend für die Verpflegung beim Nikolausabend zuständig war.

Diese Einladung ist Teil der Akte 253, deren Inhalt die schwierige materielle Situation der Bevölkerung in der Nachkriegszeit verdeutlicht. Sinnbildlich hierfür steht die Forderung des Aachener Oberstadtdirektors Servais vom 26. Juni 1947, Aachen zum Notstandsgebiet zu erklären. In diesem Schreiben, das “An den Herrn Wirtschaftsminister in Düsseldorf d.d.Hd. des Herrn Regierungspräsidenten in Aachen” gerichtet ist, thematisiert Servais ein heutzutage unvorstellbares Szenario:

“Diese 3 Tatsachen der besonders ungünstigen Verkehrslage, der besonders weitgehenden Zerstörungen und der besonders folgeschweren Zwangsräumung bedingen die derzeitigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Stadt Aachen. Wenn heute noch fast 1/3 der Einwohner von Vorkriegsbeginn in ihre Heimatstadt nicht zurückkehren konnte, wenn heute viele Wunden, die das Kriegsgeschehen der Stadt schlug, noch offen liegen, wenn ein erheblicher Teil der Bevölkerung noch in Kellern, halb zerstörten Behausungen, lichtlosen dumpfen Bunkern wohnen muss, wenn die Säuglingssterblichkeit ein besonders grosses Ausmaß erreicht hat, die Zahl der Tuberkulösen erschreckend angestiegen ist, wenn der Bedarf an Wirtschaftsgütern aller Art in der Bevölkerung und bei allen Heimen, Anstalten und caritativen Versorgungseinrichtungen besonders gross ist, so sind die Ursachen in erster Linie auf die 3 Tatsachen zurückzuführen, die bei keiner Stadt in gleicher Weise vorliegen.”

Seien wir froh und dankbar, dass wir den morgigen Nikolaustag und Weihnachten unter viel besseren Bedingungen in Aachen feiern können!

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